Christliche Asylbewerber, denen in ihrer Heimat Verfolgung droht, können einen Glaubenskurs mit dem Ziel eines pfarramtlichen Zeugnisses absolvieren. Auch wer erst in Deutschland als Christ getauft wurde, muss sich gründlich auf die Anhörung bei den Asyl-Behörden vorbereiten. Für iranische Christen ist Sadeghinejad, kurz "Reza", als theologisch-pädagogischer Referent der Ansprechpartner. Und der 40-Jährige kommt von seinem Dienstsitz in Nürnberg ganz schön rum in Bayern, wenn er von Gemeinden angefragt wird. Von Kempten bis Bamberg hält er seine Kurse und Bibelstunden, feiert Gottesdienste in iranischer Sprache und hilft manchmal auch als reiner Übersetzer.
Wenn Reza von seinem Leben und seiner geistlichen Entwicklung erzählt, merkt man schnell, dass man es mit einem überzeugten Mann zu tun hat. Denn Reza war schon als Heranwachsender ein Mensch, der sich und die Gesellschaft, in der er lebt, immer hinterfragt hat. 1979 ist Reza im Iran geboren – das Jahr, in dem die islamische Revolution stattfand und die Mullahs die Monarchie beendeten und die Macht übernahmen. Rezas Familie war und ist streng gläubig. "Schon als Kind musste ich um 4 Uhr zum Morgengebet aufstehen, mit 9 Jahren sollte ich regelmäßig fasten", erinnert sich Reza. Wie andere Kinder habe er dann auch heimlich gegessen, stets vom schlechten Gewissen geplagt. "Ich habe mich als Sünder gefühlt, der nicht in seine Umgebung passt."
Kritische Auseinandersetzung mit den Religionen
Doch Reza ließ sich nicht kleinkriegen. Er las schon als Jugendlicher Schriften von Friedrich Nietzsche oder Albert Camus. Reza wurde allmählich zum Atheisten und verwickelte seine Eltern und Geschwister sowie auch seine Freunde bald in kritische Gespräche, in denen er offen gegen Religionen opponierte. Und es ging ihm dabei besser. Auch, weil er immer das richtige Maß fand, seine direkte Umgebung nicht allzu arg zu provozieren und weil er Gleichgesinnte fand.
Nach der Schule und zweieinhalb Jahren Studium im Finanzwesen fing Reza an, in einer Firma zu arbeiten, die einem Iraner mit zweiter, US-amerikanischer Staatsangehörigkeit gehörte: einem praktizierenden Christen, der auch christliche Mitarbeiter beschäftigte. Eine Kollegin ließ sich von Rezas Sticheleien über ihren Glauben nicht aus der Ruhe bringen. Das imponierte dem jungen Mann, der mittlerweile verheiratet war und eine kleine Tochter hatte. Er lieh sich eine Bibel aus und fing an, im Johannesevangelium zu lesen. Da passierte es: "Ich las die Worte, mein Kopf schien in Flammen zu stehen, ich konnte meine Augen nicht mehr von den Seiten aufheben", sagt Reza. Als er endlich losgelassen hatte, erklärte er seiner Frau, er sei Christ geworden, später auch seiner Familie. Keiner wollte ihm glauben, man dachte, dies sei wieder einer von Rezas Scherzen.
Christlicher Glaube im Untergrund
Doch die Sache mit Jesus wurde ernster. Reza schloss sich einer Untergrundgemeinde an, ließ sich 2008 taufen. Seine Gemeinde flog auf, der Ortsgeistliche erklärte 2010 sämtliche Mitglieder als vogelfrei. "In strengen muslimischen Regionen bedeutet das, jeder kann dich töten und wird dafür nicht belangt", erklärt Reza. Die Familie wendete sich ab von Reza. Er floh aus dem Land, zusammen mit Gleichgesinnten. Die Liste der Stationen ist lang: Über Tansania, die Türkei, Kenia, Nairobi und Mombasa kam Reza, der eigentlich in die USA wollte, irgendwann nach Deutschland, wo er nach 18 Monaten einen Antrag auf Asyl stellte und eine theologische Ausbildung am Johanneum in Wuppertal startete.
War es Zufall oder Fügung? Jedenfalls suchte Jörg Hammerbacher, damals noch Referent für Gemeindeentwicklung im bayerischen Landeskirchenamt, 2018 nach einer Persönlichkeit, die für die neu geschaffene Projektstelle infrage kommt. Mit Erfolg. Im April 2019 hat der mittlerweile sehr gut Deutsch sprechende Reza seinen Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft gestellt.
Musste für seinen Glauben alles aufgeben
Seine Erfolgsgeschichte hat aber auch Schattenseiten. Zum einen bringe es sein Dienst mit sich, dass Reza auch immer wieder mit Asylbewerbern zu tun hat, die möglichst schnell ihr Zeugnis haben wollen und dieses eher als Mittel zum Zweck sehen, einen Grund für das Vereiteln einer möglichen Abschiebung vorlegen zu können. "Ich verstehe es menschlich natürlich, wenn jemand alles versucht, um hier zu bleiben. Trotzdem lasse ich mich nicht gerne auf den Arm nehmen, wenn es um den Glauben geht", erklärt Reza. Dass er letztlich nicht entscheiden muss, ob einem Asylbewerber die Taufe erteilt wird oder nicht, sei da ein schwacher Trost. Zum anderen reicht der Arm aus der alten Heimat noch immer nach Nürnberg. Für seine Familie sei er ein Verräter, der sie im Stich lasse. Seine mittlerweile elf Jahre alte Tochter vermisse er sehr.
Reza hat für seinen Glauben alles aufgegeben. Dieser ist es aber auch, der ihm die Hoffnung schenkt, eines Tages mit seinen Lieben wieder Kontakt zu haben.