Es war kurz nach seinem Amtsantritt, als Jan Roubinek zum ersten Mal der Atem stockte: In Tschechien wurde gerade über ein Denkmal für den Mord an tschechischen Roma während des Zweiten Weltkriegs diskutiert, als ein Rechtsaußen-Politiker aus dem Prager Parlament den Begriff "Pseudo-Konzentrationslager" aufbrachte. Roubinek schaltete sich öffentlich ein: "Wenn manche versuchen, eine Debatte darüber herbeizuführen, ob es den Holocaust gegeben hat oder nicht, dann ist einfach Schluss."

Vor anderthalb Jahren wurde der 47-Jährige zum Leiter der Gedenkstätte in Theresienstadt ernannt – und er hat von dort aus einen genauen Blick auf die öffentliche Debatte zur Vergangenheit in Tschechien.

"Wir wollen ein Leuchtturm sein"

Der Ort Lety, in dem die Nazis ein sogenanntes Zigeunerlager errichtet hatten und über den die Diskussion entbrannt war, liegt zwar rund 100 Kilometer entfernt von Theresienstadt, aber für Roubinek geht es um Grundsätzliches: "Wenn in den 1990er-Jahren jemand von einem 'Pseudo-Konzentrationslager' gesprochen hätte, wäre er sofort als frei laufender Verrückter eingestuft worden", sagt er kopfschüttelnd. Stellung zu beziehen in dieser Debatte – das sieht er als eine der wichtigen Aufgaben seiner Gedenkstätte an: "Wir wollen ein Leuchtturm sein." Der Ort Theresienstadt, der auf Tschechisch Terezín heißt, ist in Tschechien zum Synonym für die Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg geworden.

Wie allerdings mit dem Gedenken daran umgegangen werden soll, darüber wird in Tschechien zunehmend kontrovers diskutiert. Extremisten von rechtsaußen bekommen im Land starken Zulauf, sie stellen sogar den stellvertretenden Präsidenten des Abgeordnetenhauses in Prag.

An die Vergangenheit erinnern

"Jetzt, wo unsere Gesellschaft so gespalten ist, bleibt es nur eine Frage der Zeit, bis man versucht, die Geschichte neu zu interpretieren", befürchtet Roubinek. Viele seiner Vorfahren sind in den Konzentrationslagern der Nazis ums Leben gekommen. Die Aufgabe der Gedenkstätte sei es, an die Vergangenheit zu erinnern und ihre Lehren in die Gegenwart zu übertragen – eine Aufgabe, die heute möglicherweise wichtiger ist als jemals zuvor.

Roubinek, der in Tschechien und Israel studiert und lange in London gelebt hat, spricht davon, dass gerade eine dritte Phase in der Gedenkkultur anläuft. "Zunächst war da die Zeit unter den Kommunisten, die die Gedenkstätte als Mittel des politischen Kampfes instrumentalisierten. Um die Shoah ging es eher am Rande, umso stärker wurden dafür die Widerstandskämpfer aus den Reihen der Kommunisten in den Vordergrund gestellt."

Gedenkstätte mitten in einer bewohnten Stadt

Das änderte sich mit der politischen Wende. Seither steht im Vordergrund, die Überbleibsel zu sichern, die an die Zeit als Ghetto und Konzentrationslager erinnern. Und jetzt, zeitgleich mit Roubineks Amtsantritt, steht die nächste Phase an: jene, in der manche Politiker wieder über den Holocaust anfangen zu diskutieren. Er sei kein Politiker und wolle mit der Gedenkstätte keine Politik machen, sagt er – aber: "Das Vermächtnis von Theresienstadt wollen und werden wir erhalten."

Seine Arbeit in der Gedenkstätte Theresienstadt ist auch deshalb so kompliziert, weil sie nicht in einem abgeschiedenen Denkmal stattfindet, sondern mitten in einer bewohnten Stadt. Im 18. Jahrhundert wurde Theresienstadt von der österreichischen Armee als Festungsstadt angelegt. Tiefe Gräben ringsum und die mächtigen Festungsmauern symbolisierten damals den neuesten Stand der Wehrtechnik; im Innern der befestigen Anlage reihen sich Kasernengebäude und Offiziershäuser aneinander, in der Mitte gibt es einen großen Marktplatz mitsamt Rathaus und Kirche.

Interesse ist ungebrochen

Die Nazis erkannten, wie gut sich diese besondere Anordnung für ihre Zwecke missbrauchen ließ: In einem Teil der Festungsanlage, die heute den Sitz der Gedenkstätte bildet, richteten sie ein Gefängnis mitsamt Hinrichtungsplatz ein. Und in der Stadt selbst nutzten sie die Gebäude und die Befestigung, um dort Juden aus dem ganzen Land einzusperren.

Häufig verlieren sich die Spuren von Deportierten aus Tschechien und der Slowakei in Theresienstadt: Viele wurden hier ermordet, die meisten aber weitertransportiert in die Vernichtungslager.

An diese dunkle Zeit zu erinnern gelingt bislang gut: Das Interesse ist ungebrochen, rund 300.000 Besucher reisen pro Jahr nach Terezín. Jeder, sagt Roubinek, solle kommen und sich ein Bild machen – das sei das beste Rezept gegen die aufkeimenden Versuche, die Vergangenheit umzudeuten.