Den Gag rund um eine eventuelle Verwandtschaft zu seinem berühmten literarischen Nachnamensvetter pariert Jonas Schiller immer mit einem Schmunzeln: Nicht dieser, aber der andere deutsche Dichterfürst ist einer der Vorfahren des neuen Dekans im Nürnberger Prodekanat Nord. In der Tat zählt Johann Wolfgang von Goethe zu seinen Vorfahren. Einer der wenigen Nicht-Pfarrer in der Familie des Theologen, der am 16. Januar in der Reformations-Gedächtniskirche in sein Amt eingeführt wird. Doch Jonas Schiller will weder Kirche für Belesene noch für Traditionalisten machen, sondern ganz nah bei den Menschen sein. Und offensiv für den Glauben werben.

Mit seinen 43 Jahren ist Jonas Schiller schon mit nahezu allen Wassern gewaschen, die Kirche zu bieten hat. Das liegt nicht nur am familiären Hintergrund der weit verzweigten Pfarrersdynastie, aus der er schon der achte Pfarrer Folge ist. Aufgewachsen im Pfarrhaus in Eltersdorf hatte der junge Jonas Schiller eigentlich in erster Linie Fußballspielen im Kopf, was er auch heute noch gerne macht. Und eigentlich hatte sich der frisch gebackene Abiturient gerade für ein Jurastudium und gleichzeitig Theologie eingeschrieben, als ein Freund ihn fragte, was er eigentlich mit den Rechtwissenschaften wolle, als er ihn mit dem Buch "Die Sache mit Gott" von Heinz Zahrnt antraf. "Nach zwei Wochen habe ich dann nur noch die theologischen Vorlesungen besucht. Dann war es um mich geschehen und ich wusste genau, was ich wollte", erinnert er sich.

Hamburg, New York, Heidelberg

Seinen weiteren Weg verfolgte Jonas Schiller dann konsequent: Zum Studium ging es nach Hamburg ("einfach mal weg von zuhause"), dann nach New York ("weil Bonhoeffer auch dort war") und Heidelberg. Das Vikariat absolvierte er bereits im Nürnberger Norden, nämlich in Heroldsberg. Als Mitarbeiter im Projektbüro Reformprozess der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover lernte Schiller dann einiges über das Innenleben und der Organisation der Kirche. "Das war eine wichtige Zeit, in der ich auch mal andere Landeskirchen und deren Strukturen und Alltag kennen lernte", meint Schiller. Erfahrungen, die ihm im neuen Dekans-Job ebenso nützlich sein werden wie die letzten drei Jahre als Theologischer Referent der Nürnberger Regionalbischöfe.

Zwischendurch war er noch Pfarrer in Nürnberg-Eibach sowie in St. Sebald – Schiller ist also sehr gut vernetzt in der Stadt. In diesen Jahren ereilte seine Frau Anja, die als Lehrerin am Altdorfer Leibniz-Gymnasium arbeitet, und ihn ein wahrer Kindersegen: Die insgesamt fünf Mädchen und Jungen der Schillers, davon zwei Zwillinge, sind heute zwischen zehn und fünf Jahre alt. Jonas Schiller weiß also auch, wie sich Familie anfühlt.

Licht nicht unter den Scheffel stellen

Die neue Stelle als Dekan für 13 Kirchengemeinden mit über 40.000 Gemeindegliedern vom Knoblauchsland bis zur Nürnberger Stadtmauer ist für Jonas Schiller weitaus mehr als ein logischer Schritt auf der Kirchenkarriereleiter. "Ich freue mich sehr auf meinen neuen Dienst, da ich mit Leib und Seele Gemeindepfarrer bin und daher gerne auch auf der Leitungsebene mithelfen will, in Zeiten des Wandels gute Strukturen für lebendige Gemeinden zu ermöglichen", sagt er.  Am Herzen liegt ihm dabei besonders, "dass wir Christen unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Unsere Gesellschaft braucht die orientierende und befreiende Botschaft des christlichen Glaubens, auch wenn sie vielleicht nicht danach fragt. Als Kirche bieten wir geistliche Heimat, Trost und stärkende Gemeinschaft."

Glaube und christliche Werte, die sollten durchaus offensiv ausgelebt werden. "Wir haben so viel zu bieten, vor allem für das Seelenheil der Menschen. Das ist manchmal schwer zu vermitteln, aber wir sollten da nicht zurückhaltend sein", meint Schiller. Er sei ein Pfarrer zum Anfassen, der jederzeit offen für die Belange seiner Gemeindeglieder sei.

Auch unbequeme Themen ansprechen

Dabei wolle er auch unbequemen Themen wie dem Transformationsprozesse innerhalb der Kirche nicht aus dem Weg gehen. "Alle finden es belebend, wenn von Reformen und Aufbruch geredet wird, aber grundsätzlich ändern soll sich dann bitte doch nichts", stelle er oft fest. Man dürfe daher nicht aus einer falsch verstandenen gegenseitigen Rücksichtnahme die Augen vor der Realität verschließen und in lähmender Verzagtheit oder ängstlichem Kirchturmdenken verharren. Die personellen und finanziellen Kräfte der Kirche müssten so eingesetzt werden, dass damit möglichst viele Menschen erreicht werden können. Bei all dem sei innerhalb der Kirche keine "Untergangsstimmung angebracht, sondern ein hoffnungsfrohes Selbstbewusstsein in einer sich immer verändernden Welt."

Vielleicht kommt da dann doch der alte Friedrich Schiller durch, der schon vor über 200 Jahren wusste: "Was man nicht aufgibt, hat man nie verloren."