Eine Karriere in der Elektrobranche wäre Dominik Popelkas Traum. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat der 22-Jährige mit dem Abschluss einer dualen Helferausbildung im Elektrobereich gemacht. Er gehört zu den allerersten Mitarbeitern der Mainfränkischen Werkstätten in Würzburg, die ihren Beruf sowohl in der Werkstatt als auch in einer Berufsschule erlernt haben. Mit der neuen dualen Helferausbildung für Menschen mit einer Behinderung haben die Mainfränkischen Werkstätten Neuland betreten.

Normalerweise lernen Menschen mit einer Behinderung den Job, den sie später einmal machen sollen, ausschließlich in der Werkstatt. Berufsschulunterricht ist nicht vorgesehen. Am Ende der zweijährigen Berufsbildungsphase erhält man ein Zertifikat. Das ist auf dem Arbeitsmarkt eher wertlos, denn daraus geht nicht hervor, was jemand kann. Auch das ist beim neuen Konzept, das die Mainfränkischen Werkstätten 2017 zusammen mit der Don Bosco-Berufsschule in Würzburg erarbeitetet hat, anders: Auf dem Zertifikat der "dualen" Absolventen prangt der Stempel der IHK.

Was die Mainfränkischen Werkstätten vor zwei Jahren ins Leben gerufen haben, ist bayernweit einmalig.

Wobei sich Werkstätten überall in Deutschland bemühen, ihren Mitarbeitern "echte" berufliche Bildung anzubieten. Viele tun dies mit den "Harmonisierten Bildungsrahmenplänen" der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM). Die berücksichtigen Inhalte der anerkannten Ausbildungsberufe bei der Qualifizierung. Wie gut der Rechtsanspruch auf Berufsbildung inzwischen in der Praxis umgesetzt wird, wird von Wissenschaftlern der Universität Würzburg derzeit im Auftrag der BAG WfbM untersucht.

Die Mainfränkischen Werkstätten entwickelten schon früh innovative Konzepte zur Berufsbildung, sagt der Würzburger Pädagoge Hans-Walter Kranert vom Leitungsteam des Forschungsprojekts. Die Teilnehmer entdecken dadurch das Potenzial, das in ihnen steckt. Maria-Lisa Kliegel zum Beispiel fand durch die duale Helferausbildung heraus, dass sie technisches Geschick besitzt. Kliegel ist 24 Jahre alt, hat die Mittlere Reife, scheiterte aber aufgrund von Depressionen in der Ausbildung:

"Ich brach erst eine Lehre als Konditorin, später eine Ausbildung als Hauswirtschaftshelferin ab." Beide Male aus psychischen Gründen.

Das neue Angebot der Mainfränkischen Werkstätten ermöglicht es Popelka und Kliegel, beruflich voranzukommen. "Es gibt eine reelle Chance, im Anschluss in eine Fachwerkerausbildung zu münden", sagt Madeleine Leube, die sich in den Mainfränkischen Werkstätten um das Thema "Teilhabe" in den Feldern Arbeit und Bildung kümmert. Früher hatten Werkstätten die künftigen Karrieren ihrer Mitarbeiter kaum im Blick, bestätigt Roland Stein, Inhaber des Würzburger Lehrstuhls "Pädagogik bei Verhaltensstörungen", der das Forschungsprojekt leitet: "Der Berufsbildungsbereich wurde teilweise als reines Arbeitstraining angesehen."

Dies war nicht zuletzt deshalb so, weil es an Geld und Zeit haperte. "Der Auftrag der WfbM bestand traditionell darin, für Menschen mit Behinderung Arbeit zu ermöglichen und darüber die Werkstätte zu finanzieren", erläutert Stein. Der Bildungsauftrag kam neu hinzu. Und er ist heute essenziell, weiß BAG-WfbM-Sprecherin Jana Schmidt: "Alle Menschen mit Behinderungen haben einen Rechtsanspruch auf berufliche Bildung."

Die UN-Behindertenrechtskonvention fordere die Vertragsstaaten auf, sicherzustellen, dass behinderte Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu lebenslangem Lernen haben.

"Dafür setzen wir uns als BAG WfbM ein."

Auf Dominik Popelkas Motivation würde es sich sehr negativ auswirken, wüsste der junge Mann, dass er für immer in einer Werkstatt bleiben müsste. Zwar hat ihm die duale Ausbildung Spaß gemacht. "Vor allem den Unterricht in der Berufsschule fand ich toll", sagt Popelka, der an der Gelenksteife Arthrogryposis multiplex congenita (AMC) erkankt ist. Popelka gefällt der Job in der Werkstatt zwar. Doch in fünf Jahren will er weg sein. Er würde gerne die Fachwerkerausbildung auf die Helferlehre draufzusatteln, um danach auf dem ersten Arbeitsmarkt zu landen.

Viele junge Leute kommen mit äußerst gemischten Gefühlen in die Werkstätten. "Das war auch bei mir so", gibt Maria-Lisa Kliegel zu. Zwar war sie froh, nach zwei gescheiterten Lehren wieder eine Perspektive zu haben: "Doch ich wollte nicht, dass man mich als dummes Etwas anschaut, nur weil ich in einer Werkstatt bin." Nun hat's im dritten Anlauf mit der Helferausbildung geklappt. Kliegel hat etwas zum Vorzeigen, nämlich ein von der IHK gestempeltes Zertifikat. Das bestätigt ihr, dass sie Teile des Rahmenplans für die Berufsbildung zur Elektronikerin beherrscht. Sie kann zum Beispiel Litzen ablängen und Kabelschuhe crimpen.

Menschen mit Behinderung haben heute nicht mehr nur eine Option, wenn sie Arbeit suchen.

Die Werkstätten bekamen jüngst Konkurrenz durch neue Leistungsanbieter. Nicht zuletzt deshalb ist es laut Madeleine Leube für Werkstätten wichtig, gute, individuell auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnittene und anschlussfähige Konzepte zur beruflichen Bildung sowie zum lebenslangen Lernen zu entwickeln. "Auf diese Weise bleiben wir als Arbeitgeber für Menschen mit Behinderung attraktiv", sagt die Sozialpädagogin.

Insgesamt gesehen ist das Thema "Berufliche Bildung für Behinderte" ein weites Feld. Denn die Zielgruppe ist laut Sonderpädagoge Stein heterogen. In Werkstätten kommen Menschen, die vor wenigen Jahrzehnten noch als völlig "bildungsunfähig" angesehen wurden und denen man daher auch nichts beigebracht hat. Gleichzeitig haben es Werkstätten mit sehr intelligenten Menschen zu tun, die aufgrund einer seelischen Krise aus dem Arbeitsprozess katapultiert wurden: "Einige könnten das Abitur schaffen oder studieren, wurden aber durch ihre Krankheit, ausgebremst."