Die Kritik am Abschiebeflug von München nach Afghanistan am heutigen Dienstagabend nimmt zu. Pro Asyl bezeichnete die geplanten Abschiebungen nach Kabul als "ignorant und für die Betroffenen gefährlich". Katharina Schulze von den Grünen nannte es unmenschlich und einen "Schlag ins Gesicht der Helferkreise und Arbeitgeber", wenn eigentlich schon gut integrierte Flüchtlinge aus dem Bett gerissen und abgeschoben werden.

Unter den von der heutigen Abschiebung betroffenen abgelehnten Asylbewerbern seien nach Informationen des Bayerischen Flüchtlingsrats auch solche, die sich bereits in Ausbildung befunden oder eine Schule besucht hätten. Einer der Geflüchteten habe nur noch ein Jahr Berufsschule vor sich, ein anderer schon zwei Jahre eine Ausbildung absolviert, teilte der Flüchtlingsrat auf seiner Website mit: Der Arbeitgeber, eine Kulmbacher Firma für Sanitärtechnik, würde den jungen Afghanen sofort wieder beschäftigen. Beide Flüchtlinge sollten nun abgeschoben werden.

Wertvolle Azubis abschieben?

Kritisch sieht die Abschiebung von Geflüchteten in der Berufsausbildung auch die Handwerkskammer für München und Oberbayern: Es gebe Fälle, in denen Geflüchtete zwar einen Ausbildungsplatz sicher hätten - aber noch vor ihrem Antritt abgeschoben würden, sagte der stellvertretende Geschäftsführer Dieter Vierlbeck dem Bayerischen Rundfunk (BR). Gerade im Handwerk seien allerdings etliche Ausbildungsplätze nicht besetzt.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) solle sich für das Bleiben gut integrierter Flüchtlinge einsetzen, forderte der Verband "Unser Veto". Man gehe davon aus, dass sich der Minister "um konkrete Lösungen bemüht, damit in Zukunft kein bayerischer Arbeitgeber mehr damit rechnen muss, von einem Tag auf den anderen eine bewährte Kraft zu verlieren".

Es sei nicht nachzuvollziehen, dass Bayern Menschen abschiebe, die sich nichts zuschulden hätten kommen lassen, sondern sich vielmehr vorbildlich um Integration bemühten, erklärte "Unser Veto".

Pro Asyl: Afghanistan ist nicht sicher

Pro Asyl kritisierte, München sei die "Hauptstadt besonders radikaler Abschiebungspraktiken nach Kabul". Die Flüchtlingshilfeorganisation betonte, dass Afghanistan seit Beginn der Abschiebungen keineswegs sicherer geworden sei. So hätten etwa am vergangenen Freitag rund 1.000 Taliban-Kämpfer die Hauptstadt der Provinz Ghasni angegriffen.  

Aktuell ist Bayern einer Umfrage des Evangelischen Pressediensts (epd) zufolge das einzige Bundesland, das grundsätzlich alle ausreisepflichtigen Afghanen abschiebt. Die überwiegende Mehrheit der Bundesländer dagegen hält an Einschränkungen für Abschiebungen nach Afghanistan fest und fliegt aktuell nur oder vorrangig Gefährder oder Straftäter nach Kabul.

Seit die Bundesregierung die Einschränkungen für Afghanistan-Abschiebungen Anfang Juni aufgehoben habe, gelte für rechtskräftig abgelehnte Asylsuchende die Ausreisepflicht, sagte ein Sprecher des Bayerischen Innenministeriums dem epd. Der Freistaat halte sich strikt an diese bundesweiten Vorgaben. Zuvor konnten nur Straftäter, Gefährder und Personen, die sich "hartnäckig der Identitätsfeststellung verweigern" gegen ihren Willen zurück nach Afghanistan abgeschoben werden.

Protestaktion gegen Abschiebungen nach Kabul

Der>Bayerische Flüchtlingsrat hat für heute (14.08.) zur Protestaktion "Keine Abschiebung nach Afghanistan" aufgerufen: Die Nacht-Demonstration beginnt um 20.30 Uhr am Münchner Odeonsplatz und soll am Gärtnerplatz enden.