In Deutschland wohnen, in Deutschland arbeiten, in Deutschland bleiben - davon träumen die Brasilianerin Leticia Borges, der Syrer Mustafa Sultan und die Kirgisin Cholpon Urustemova. Als Auszubildende an einer Krankenpflegeschule in Neu-Isenburg wollen die drei jungen Erwachsenen diesen Traum wahr werden lassen. Sie sind Teil eines Ausbildungskonzepts, das ihnen auf dem hessischen Pflegecampus Theorie, Praxis, Sprachschule sowie eine erste Unterkunft bietet.

Junge Russin will Medizin studieren

Die 22 Jahre alte Urustemova war schon vor ihrem Ausbildungsstart in Deutschland: "Ich habe bei einer Familie in Mainz als Au-pair gearbeitet und währenddessen Deutsch gelernt", erzählt sie im Gespräch mit dem Sonntagsblatt. In Russland, wo sie mit ihrer Familie zuletzt lebte, machte sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau.

"Bei uns entscheiden die Eltern, was die Kinder machen sollen und bei uns arbeiten alle in diesem Bereich - ich sollte das also auch machen."

Die junge Frau wollte jedoch in die Medizin und kam deshalb nach Deutschland. Nach ihrem Abschluss als Pflegefachkraft will sie studieren. In der Zukunft sieht sie sich in der Onkologie. Was sie auf diesem langen Weg antreibt, erzählt Urustemova unter Tränen:

"Mein Opa ist an Krebs gestorben. Zuvor hat er eine falsche Diagnose bekommen. Das sollte niemandem passieren."

Begonnen haben die Auszubildenden mit einer Theoriephase auf dem Neu-Isenburger Campus, auf dem sie zunächst auch gewohnt haben. Nun sind viele von ihnen in ihre eigene Wohnung gezogen und begleiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ambulanter Pflegedienste. "Die Patienten sind sehr nett und vor allem sehr geduldig", erzählt die 24 Jahre alte Borges. Der Umgang mit ihnen sei ihr nicht fremd, denn schon in Brasilien habe sie eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht, diese jedoch abgebrochen. "Noch ist das Fachliche nicht mein Problem, schwerer ist die Sprache", sagt sie.

Sprache ist das Wichtigste

Seit die angehenden Pflegekräfte arbeiten, haben sich ihre Sprachkenntnisse verbessert, erzählt die Pflegedienstleiterin Alma Nieto: "Man merkt einen deutlichen Unterschied. Aber auf ein Gespräch mit den Patienten müssen sich die Auszubildenden erst einmal einlassen." Auch Nieto kam für ihre Pflege-Ausbildung von Spanien nach Deutschland, kennt deshalb die Situation ihrer Schützlinge.

"Ich sage ihnen immer wieder, dass es sehr schwierig ist, aber dass man es schaffen kann. Das Wichtigste ist die Sprache."

Dass die Ausbildung trotz Pandemie starten konnte, freut den geschäftsführenden Gründer der Krankenpflegeschule, Tilman Frank: "Unsere Auszubildenden scheinen zufrieden." Zwar habe sein Unternehmen "Talent Orange" viel Erfahrung in der Rekrutierung von bereits ausgebildeten Menschen, die Auswahl der neuen Auszubildenden unter Corona-Bedingungen stellten Frank und sein Team jedoch durchaus vor Herausforderungen: "Wir mussten die jungen Leute über Online-Bewerbungsgespräche davon überzeugen, dass wir kein dubioses Programm sind, sondern dass sie hier kompetent ausgebildet werden und für ihre Arbeit auch Geld bekommen."

Weil das Konzept neu ist, konnten Bewerberinnen und Bewerber nicht auf Erfahrungsberichte von Vorgängern zurückgreifen, was die Überzeugungsarbeit zusätzlich erschwert habe. Frank zeigt sich zuversichtlich:

"Was wir hier momentan gemeinsam machen, bedeutet also Vertrauensvorschuss von beiden Seiten. Der Start ist uns nun ja schon gut gelungen."