Was löst denn die meisten Schmerzen aus, wenn sich ein Asylhelfer von einem Flüchtling oder einer Flüchtlingsfamilie verabschieden muss?
Harbeuther: Es ist ein Abschied, der meistens nicht freiwillig ist, sondern erzwungen. Oft fühlen sich die Helfer ohnmächtig, weil irgendjemand entscheidet und man die Gründe vielleicht nicht nachvollziehen kann.
Da gibt es Fälle von Menschen, die noch nie in Afghanistan gelebt haben und nach Afghanistan abgeschoben werden, weil sie einen Pass aus dem Land haben. Da haben wir Familien, die auseinandergerissen werden, weil von zwei Familienmitgliedern bei der Einreise in Italien Fingerabdrücke genommen wurden, von den anderen nicht.
Spielen denn auch Selbstvorwürfe der Ehrenamtlichen eine Rolle, nicht alles gegen eine Abschiebung getan zu haben?
Harbeuther: Das gibt es schon auch. Aber in den meisten Fällen haben die Helfer alles versucht. Sie haben sehr viel Zeit und Energie hineingesteckt. Sie haben mit dem Flüchtlingsrat und Anwälten telefoniert, Petitionen gestartet, überlegt, die Härtefallkommission anzurufen - aber dann ist die Enttäuschung noch größer, dass alles nichts gebracht hat.
Würden Sie dann also einem Flüchtlingshelfer am Anfang seines Engagements sagen, mache dich darauf gefasst, es wird schmerzhafte Trennungen und Enttäuschungen geben?
Harbeuther: Es wäre sicher nicht das erste, was ich ihm sagen würde. Ich würde dem Ehrenamtlichen eher sagen, der Weg ist nicht einfach und wir haben im Moment eine schwierige Gesetzeslage.
Das Dublinsystem ist ein absurdes Asylrecht in Europa. Nur jemand aus Eritrea oder Syrien hat ja zurzeit wirklich eine Möglichkeit zu bleiben.
Die Helfer haben daher unterbewusst im Kopf, dass es für den betreuten Asylbewerber schwierig werden wird. Aber selbst wenn eine Person nach Afghanistan abgeschoben ist oder nach Italien muss, gibt es weiterhin Möglichkeiten, Kontakt zu halten. Ich weiß von Flüchtlingshelfern, die weiterhin Kontakt per Whatsapp pflegen oder über Jahre hinweg Tschetschenen in ihrer Heimat unterstützen.