Ich würde gern an Ostern glauben. Ich würde gern etwas von Ostern erleben. Dabei geht es mir gar nicht so sehr um die theologischen Fragen, deretwegen so viele Ostern abgeschrieben haben. Der Zweifel etwa, dass da ein Grab auf einmal leer gewesen sein oder ein Leichnam wiederbelebt worden sein soll. Das ist nicht so sehr mein Problem.
Ich würde gern etwas von der Osterkraft spüren, die von diesen alten Geschichten ausgeht, oder von den Osterliedern, und dies schaffe ich nicht. Dem steht sicherlich meine Biografie im Wege, in der das Schwere und Dunkle überwiegt.
Schon in frühen Jahren musste ich Abschiede erleben. Zunächst die Scheidung der Eltern, die mir sehr weh getan hat. Ich blieb bei meiner Mutter und hatte mich gerade in diesem Leben eingelebt, als sie an Krebs erkrankte und bald darauf starb. Ich wuchs dann bei meinen Großeltern auf, bis auch sie krank wurden und selber Hilfe brauchten.
Es ist einfach das Gefühl einer großen Distanz, einer großen Entfernung. Da bin ich mit den Abschieden meines Lebens und mit meinen Enttäuschungen, und da ist die vollmundige Osterbotschaft, die darauf beharrt, dass Christ erstanden ist "von der Marter alle". Nun mag das ja so gewesen sein, aber die Fortsetzung heißt "...des soll'n wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein." An dieser Zeile hängt es. An diesem Brückenschlag. An dieser Schlussfolgerung. Das kriege ich einfach nicht hin.
Frau L.
Ostern glauben. Ostern erleben. Osterkraft spüren. Vielleicht ist es die Poesie, die Ihre Sehnsucht im Moment eher erreicht als die "vollmundige Osterbotschaft." Ich denke an Verse von Marie Luise Kaschnitz (1901-1974):
"Manchmal stehen wir auf / Stehen wir zur Auferstehung auf / Mitten am Tage / Mit unserem lebendigen Haar / Mit unserer atmenden Haut..."
Lassen Sie mich dieses "manchmal" ein bisschen umspielen, und schauen Sie doch bitte, wie es Sie anspricht:
- Manchmal schaffe ich es, mich jemandem anzuvertrauen und finde dabei Gehör, finde sogar Wertschätzung
- Manchmal spüre ich, dass ich mit den Abschieden meines Lebens doch irgendwie fertig geworden bin
- Manchmal komme ich mit dem in Berührung, was mir dabei geholfen hat, und merke, wie mir dabei auch ein Stück Lebenserfahrung zugewachsen ist
- Manchmal schaffe ich es trotz all der Brüche und Verluste, meinem Leben einen Sinn zu geben
- Manchmal lasse ich den Gedanken an mich heran, dass ich wichtig bin und dass ich zähle und dass es einen Unterschied macht, ob es mich gibt oder nicht
- Manchmal finde ich den Gedanken tröstlich, dass alle Martern nicht zerstören können, wofür Jesus lebte und wofür er mit seinem Leben stand
- Manchmal tut sich der Himmel auf und für einen Moment ahne ich, dass es Gott auch mit mir gut meint
- So stehe ich manchmal auf, mitten am Tage...
Aufstehen. Manchmal wenigstens. Ob Ihnen das möglich ist? Es wären erste kleine Schritte in Ihrer Sehnsucht, Ostern zu glauben, zu erleben, Osterkraft zu spüren.