Eine Waldschneise mit kurzer Beschriftung soll ab Herbst den Park des evangelischen Bildungszentrums Wildbad Rothenburg noch bewusster erleben lassen. Das kristallisierte sich bei dem Workshop heraus, den die Künstlergruppe "Breathe Earth Collective" aus Graz (Österreich) am Wochenende dort abhielt.
Das fünfköpfige "Breathe Earth Collective" (BEC) ist seit der Mailänder Expo 2015 der künstlerische Repräsentant, der die Alpenrepublik als Land der guten Luft erfahrbar macht. 2020 wurde das Team als "Artist in Residence" ins Wildbad eingeladen; hier lässt eine Jury der bayerischen evangelischen Landeskirche seit 2017 jedes Jahr ein ortsbezogenes Kunstwerk entwickeln.
"Wir haben aus der Expo-Zeit noch viele Ideen auf Lager", sagt BEC-Sprecher Bernhard König. Mit Klimakapseln, Waldinstallationen und anderen Techniken eines erweiterten Kunstbegriffs verblüffte die Truppe bereits zwischen Brünn und Melbourne. Rothenburg jedoch forderte sie besonders heraus.
Rothenburg ob der Tauber: "Wildbad ist ein sehr guter Landschaftspark"
König: "Nach der Einladung haben wir uns gewundert: Was wollen die in Rothenburg überhaupt von uns? Wildbad ist ja ein sehr guter Landschaftspark mit äußerst atembarer Luft. Sollen wir das alles noch verstärken?", habe sich die Gruppe gefragt, der zwei Landschaftsarchitekten, zwei Architekten und ein freier Künstler angehören - namentlich Karlheinz Boiger, Lisa Maria Enzenhofer, Markus Jeschaunig, Andreas Goritschnig und eben Bernhard König.
Der erste Schritt zur Lösung war, "sich den Naturraum zunächst mal bewusstzumachen". Damit sei man derzeit immer noch befasst, sagt König. Und das Bewusstmachen wird nach den Erlebnissen des jüngsten Workshops wohl auch der Inhalt des Kunstwerks Rothenburg 2020 sein.
Für den Landschaftsarchitekten und Designer König geht es darum, Orte zu finden, "um eine Umgebung neu und anders wahrzunehmen". Bei einem früheren Arbeitseinsatz des BEC in Rothenburg wurde das erreicht, indem eine zugewachsene Sichtschneise auf das gegenüberliegende Ufer der Tauber wieder freigelegt wurde.
Noch werden Ideen bewertet
Ein Innehalten, ein "Waldesatemerlebnis" - solch ein Wort geht König ganz selbstverständlich von den Lippen - soll durch einen schriftlich positionierten Satz oder eine Wortgruppe inhaltlich gelenkt werden. Daran sollten sich die Rothenburger beteiligen, weswegen sie zum jüngsten Workshop eingeladen wurden.
Mit 40 bis 50 Teilnehmern waren die Veranstalter sehr zufrieden. Und auch mit dem literarischen Ergebnis: "Bei dem Luft-Poesie-Treffen gab es spannende Assoziationen, alte, tradierte wie 'Es liegt was in der Luft' bis hin zu hochbrisant aktuellen wie der Hilferuf des Afroamerikaners George Floyd: 'I can't breathe.'"
Derzeit bewertet das Kollektiv, welche Ideen funktionieren und wie sie so umgesetzt werden können, dass die Schrift nicht vom Wald dahinter ablenkt. Bernhard König nennt als Richtlinie: "Die Wortgruppe sollte nicht nur poetisch sein, denn dann wird sie zu schön. Sie muss genug Kraft haben, um die Leute zu erreichen, darf aber nicht plump wirken." Weitere Motive können sich aus dem botanischen Aufbau des Walds ergeben.
Am 15. Oktober findet in Rothenburg ein Kunstfest statt
In zwei bis drei Wochen kehren einige BEC-Mitglieder nach Franken zurück, um an der technischen Umsetzung des Waldluft-Slogans zu arbeiten, eventuell Firmen mit der Herstellung eines Schriftzugs für die Lichtung zu beauftragen. Bis dahin wollen die Aktivisten auch entscheiden, ob die Buchstaben nachts leuchten sollen.
Am 15. Oktober um 14 Uhr beginnt dann ein Kunstfest, das um 18 Uhr mit der Enthüllung des diesjährigen "Artist in Residence"-Kunstwerks seinen Höhepunkt hat. "Artists in Residence" waren in den vergangenen Jahren das Nürnberger Duo Böhler & Orendt, die Berlinerin Ulrike Mohr und Laura Belem aus Brasilien.