Jehovas Zeugen: Allgemeines
Jehovas Zeugen sind eine vergleichsweise bekannte nichtkirchliche Glaubensgemeinschaft, der in Deutschland etwa 165.000, weltweit um die 9 Millionen Mitglieder zugehörig sind. Die Zeugen Jehovas sind eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und haben ihren deutschen Hauptsitz in Selters im Taunus.
Ihren Ursprung hat die Bewegung im 19. Jahrhundert, als der Adventistenprediger Charles Taze Russell in den USA einen eigenen Bibelstudienkreis gründete. Seit 1931 trägt die Gemeinschaft offiziell den Namen "Jehovas Zeugen" unter Bezugnahme auf die Bibelstelle Jes 43,10a: "Ihr seid meine Zeugen". Der Name soll zum Ausdruck bringen, dass die Mitglieder sich selbst als die einzig wahren Anbeter Gottes verstehen. Gott ist dabei als höchstes Wesen zu verstehen, dessen Eigenname "Jehova" ist.
In Deutschland sind die Zeugen Jehovas vor allem für ihre ausgeprägte Missionstätigkeit sowie dem Verteilen der Zeitschriften "Wachturm" und "Erwachet!" bekannt. In Schulen wird häufig außerdem die Tatsache thematisiert, dass Kinder aus entsprechenden Familien weder Geburtstage noch religiöse Feste feiern und häufig auch die Teilnahme an Schulveranstaltungen verweigern.
Kirchliche und staatliche Sektenexperten werfen der umstrittenen Glaubensgemeinschaft "totalitäre Strukturen" sowie die Verletzung der Grundrechte auf Meinungsfreiheit und Achtung der Menschenwürde vor.
Zeugen Jehovas: Leben im Alltag
Jehovas Zeugen leben nach einem Katalog von Vorschriften, der angeblich biblisch begründet ist. Von jedem Mitglied wird erwartet, dass es sich streng daran hält und sich außerdem von anderen Menschen abgrenzt, um nicht Gefahr zu laufen, von ihnen beeinflusst zu werden.
Ehe und Familienleben sind stark hierarchisch geprägt, wobei sich die Frau dem Mann und die Kinder den Eltern unterzuordnen haben. Beziehungen dürfen nur innerhalb der Glaubensgemeinschaft eingegangen werden. Frauen können grundsätzlich keine Führungsposition besetzen. Abtreibungen werden abgelehnt. Homosexualität, Selbstbefriedigung und Promiskuität werden als "Hurerei" abgestempelt und sind verboten, ebenso außerehelicher Geschlechtsverkehr.
Jehovas Zeugen lehnen Bluttransfusionen grundsätzlich ab.
Die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft treffen sich zweimal wöchentlich in ihren örtlichen Gemeinden, sogenannten Versammlungen. Das Gemeindehaus wird als "Königreichssaal" bezeichnet. Es wird gemeinsam gebetet und gesungen, die Zusammenkünfte werden ehrenamtlich von männlichen Mitgliedern geleitet. Es wird dabei nicht kritisch diskutiert, sondern die Lehre präsentiert. Abendmahl wird gefeiert, jedoch nur einmal im Jahr und als Gedächtnis an den Tod Jesu Christi.
Jehovas Zeugen verstehen die Taufe als Verpflichtung zum Missionsdienst, daher gibt es keine Kindertaufe. Getaufte Mitglieder sind verpflichtet, mehrere Stunden im Monat Verkündigungsdienst zu leisten. Sie bieten dabei auf öffentlichen Plätzen Literatur an oder versuchen Gespräche über biblische Themen zu beginnen. Dabei besteht die Verpflichtung, ihre Aktivitäten zu dokumentieren und an die Versammlung weiterzuleiten.
Christliche Feste, aber auch Geburtstagsfeiern und sonstige Feste werden nicht gefeiert, es gelten zudem strenge Kleidervorschriften für Mädchen. Ausgetretene Zeugen werden als Abtrünnige verurteilt, jeglicher Kontakt muss abgebrochen werden.
Die Zeugen Jehovas sind gegen politische Betätigung und lehnen die Ableistung von Wehrdienst strikt ab.
Jehovas Zeugen: Lehre und Schriften
Jehovas Zeugen benutzen eine eigene Übersetzung der Bibel, die sogenannte "Neue-Welt-Übersetzung". Diese eigene Variante der Heiligen Schrift verwendet spezifische Begriffe der Gemeinschaft und ersetzt zum Beispiel an vielen Stellen den Begriff für Jesus Christus "kyrios" durch den Namen "Jehova".
Die Neue-Welt-Übersetzung gilt bei den Zeugen Jehovas als von Gott inspiriert und durchgängig wahr. Bei der Auslegung modernerer Themen werden dabei Verse aus der gesamten Bibel ohne Kontext herausgegriffen und interpretiert.
Im Zentrum der Lehre steht bei Jehovas Zeugen der Begriff der "Wahrheit", er wird sogar als Synonym für "Glaube" genutzt. Nur wer gläubig ist, ist "in der Wahrheit". Was die christliche Wahrheit genau bedeutet, bestimmt dabei stets die leitende Wachturmgesellschaft. Sie gilt als einzig legitime Vertretung Gottes auf Erden.
Das einzelne Mitglied kann dabei nicht in Verbindung mit Gott treten, es braucht dazu immer das Leitungsgremium. Mitglieder werden außerdem als Kanal betrachtet, den "Jehova" nutzt, um mit anderen Menschen in Verbindung zu treten und diese zu bekehren.
Zeugen Jehovas: Entstehung und Geschichte
1881 gründete Charles Taze Russell in den USA die Verlagsgesellschaft "Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft" in Pittsburgh. Seine Anhänger bezeichneten sich zunächst als "Ernste Bibelforscher". Zentrales Element der Lehre war der Glaube daran, dass ein Ende der Welt, wie wir sie kennen, kurz bevorstehe. Ein damit verbundenes göttliches Strafgericht würden dabei nur Jehovas Zeugen überleben.
Russell ging zunächst davon aus, dass die Menschheitsgeschichte 1872/73 enden würde, als dies jedoch nicht eintraf, wurde das Jahr 1914 in diversen Schriften als das Ende Gottes Königsreichs auf Erden proklamiert.
1897 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift "Wachturm" auf Deutsch, zu diesem Zeitpunkt waren Jehovas Zeugen bereits etwa zehn Jahre in Deutschland aktiv.
Den Beginn des Ersten Weltkrieges im Jahr 1914 interpretierte die Gemeinschaft als Erfüllung ihrer Weltuntergangprognosen, das Jahr wurde als Zeitenwende festgehalten. Als Charles Taze Russell 1916 starb, kämpfte sich Joseph Franklin Rutherford an die Spitze der Organisation und führte ein deutlich strafferes Regiment ein. Die Zentrale hatte von nun an die alleinige Macht, Mitglieder weltweit hatten ihr zu folgen. Die Gemeinschaft, von 1931 an bekannt als "Jehovas Zeugen", war von da an eine hierarchisch aufgebaute "Theokratische Organisation" mit totalitären Strukturen.
Auf Joseph Franklin Rutherford folgte 1942 dessen engster Mitarbeiter Nathan Homer Knorr als neuer Präsident. Er machte aus der Wachtumsgesellschaft eine globale, zentralistisch aufgebaute und straff geführte Organisation. Er führte außerdem ein Schulungssystem ein, das jede Versammlung weltweit dazu verpflichtet, einmal pro Woche an Kursen teilzunehmen, die über die Lehre aufklären, in denen aber beispielsweise auch Gesprächsmethoden für das Missionieren eingeübt werden.
Es folgte eine Zeit des Wachstums, die Zahl der sogenannten "Verkündiger" stieg. Auf Knorr folgten vier weitere Präsidenten, seit 2014 ist Robert Ciranko aktiv.
In Deutschland bemühten sich die Zeugen Jehovas in den 1990er Jahren, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erhalten. 2005 gestand ihnen das Oberverwaltungsgericht diesen nach einem langwierigen Rechtsstreit zu.
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Quelle: "Handbuch Weltanschauungen, religiöse Gemeinschaften, Freikirchen", Gütersloher Verlagshaus, München 2015
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