Eine Rebellin ist sie zeitlebens geblieben, im Leben wie im Werk. Der Traum vom Ruhm als Schriftstellerin erfüllte sich für Brigitte Reimann nur für kurze Zeit. Bekannt wurde sie in der DDR schnell, doch sie erkrankte jung an Krebs. Ihr erster und einziger Roman "Franziska Linkerhand" blieb unvollendet. 39-jährig starb sie 1973 in Berlin.

Oft gelobt und geliebt werden Reimanns schier unerschöpfliche Fantasie und ihre überschäumenden Emotionen. "Sie war eine große Geschichtenschreiberin", sagt Martin Schmidt, einer ihrer Weggefährten und Vorsitzender des Kunstvereins im sächsischen Hoyerswerda. Lebensnah und überzeugend soll sie als Autorin auch das Herz von DDR-Staatschef Walter Ulbricht erobert haben.

Brigitte Reimann schrieb, was sie dachte, und formulierte, was sie erlebte

Doch mit dem kommunistischen Regime hatte Brigitte Reimann nicht viel gemein. Zwar glaubte sie anfangs glühend an den sozialistischen Weg; ihre Erzählungen aber waren stets so unangepasst wie sie, spontan und lebendig – ganz anders als das Leben in der DDR. Sie schrieb, was sie dachte, und formulierte, was sie erlebte. Auch in der Liebe ging es bei Brigitte Reimann nicht nach Regeln oder Moral: Ständig verliebt und viermal verheiratet, löste sie Eifersuchtsdramen und seelische Katastrophen aus.

Der Arbeiter- und Bauernstaat kontrollierte die Autorin. Ein Anwerben durch die Stasi ließ sie sich zunächst gefallen, akzeptierte sogar einen Decknamen. Doch nach kurzer Zeit wurde ihr klar: "Mit der Stasi muss ich Schluss machen. Sie haben versucht, mich zu erpressen." Als sie aussteigen will, wird ihr Haft angedroht. Dennoch bricht sie ihre Kontakte ab und macht ihre Stasi-Tätigkeit öffentlich. Dem Gefängnis entging sie wohl auch wegen ihrer Popularität. Überwacht wurde sie trotzdem.

In ihrem Tagebuch notierte die Tochter eines Journalisten, was ihr an staatlichem Druck und Duckmäusertum missfiel. Das hoffnungsvolle Talent wurde für die DDR-Genossen mehr und mehr zum Stachel im Fleisch.

Brigitte Reimanns Wunsch, Schriftstellerin zu werden, entsteht schon in ihrer Jugend

Aufgewachsen ist Brigitte Reimann in Burg bei Magdeburg zusammen mit drei Geschwistern. Mit dem Schreiben begann sie 1955. Doch der Wunsch reifte vermutlich bereits, als sie mit 15 Jahren an Kinderlähmung erkrankte und wochenlang im Bett lag.

Als sie 1960 nach Hoyerswerda ging, hatte sie bereits erste Werke veröffentlicht. In der typisch sozialistischen Planstadt mit vielen Plattenbauten lebte Reimann acht Jahre lang, danach zog sie nach Neubrandenburg. In Hoyerswerda begann sie auch mit der Arbeit an "Franziska Linkerhand". Der unvollendete Roman erzählt die Geschichte einer jungen Architektin, deren Ideale zerbrechen. Das Werk wurde zu einem der wichtigsten Bücher der ostdeutschen Nachkriegsliteratur.

Reimann unterstützt den "Bitterfelder Weg", mit dem eine "sozialistische Nationalkultur" entstehen soll

Reimann war von der Idee des "Bitterfelder Weges" angeregt, der Künstler und Arbeiter zur Entwicklung einer "sozialistischen Nationalkultur" zusammenbringen wollte. Erfahrung holte sie sich unter anderem im "Gaskombinat Schwarze Pumpe", wo sie und ihr zweiter Ehemann, der Schriftsteller Siegfried Pitschmann (1933-2002), in den 60er-Jahren regelmäßig arbeiteten. Ihre Kollegen im Großbetrieb zur Veredelung von Braunkohle waren Rohrleger und Schweißer. Mit ihrem Mann gründete sie auch den Zirkel schreibender Arbeiter, über deren Mitglieder sie notierte: "Wenigstens zwei der Kollegen sind begabt."

In Hoyerswerda wurde ihr schnell klar, dass die Plattenbau-Planung an den Interessen der Bewohner vorbeiging. Und schrieb dennoch: "Merkwürdig, wie man sein Herz an diese öde Landschaft gehängt hat, an diese unmögliche Stadt, an die Leute." Ihre Erlebnisse spiegelt die Erzählung "Ankunft im Alltag".

Es klingt wie ein Resümee ihres Lebens, wenn sie ein Jahr vor ihrem Tod schreibt: 

Ich sitze in einer Wohnung, die mit Tausenden von Büchern vollgestopft ist, mit kostbaren alten Möbeln und Uhren, sehe mich um und begreife allmählich, wie nichtig der Besitz ist, der uns einst besessen hat.

Brigitte Reimann

Bis kurz vor ihrem Tod arbeitete Reimann am Linkerhand-Roman, der schließlich 1974 in der DDR in geschönter Version erschien. Erst 1998 wurde eine originale Ausgabe des Manuskripts aufgelegt. Aus dem Hoyerswerdaer Brigitte-Reimann-Hauskreis von einst ist der lokale Kunstverein geworden. Ganz in der Nähe ihrer ehemaligen Plattenbau-Wohnung betreibt er eine Begegnungsstätte. Die Straße davor wurde 1990 nach ihr benannt. An Reimanns früherem Wohnhaus prangt mittlerweile ein goldenes Schild, und Hoyerswerda würdigte die Autorin zum 80. Geburtstag mit einem Denkmal.

Vereinsvorsitzender und Weggefährte Schmidt erzählt, dass einst auf ihre Initiative hin an einer der Hauptstraßen im Plattenbaugebiet junge Bäume gepflanzt wurden. Inzwischen ist dort eine große, grüne Allee gewachsen: "Das hätte ihr gefallen."

 

"Rebellinnen": Die Ausstellung über starke Frauen

Dieser Text ist Teil der Wanderausstellung "Rebellinnen". Sie stellt Frauen aus dem deutschsprachigen Raum vor, die für ihre Überzeugungen und Rechte kämpften, die Gesellschaft prägten, sie verändern wollten.

Als Medienpartner von "Rebellinnen" veröffentlicht sonntagsblatt.de Porträts und weiterführende Informationen zu allen Frauen, die in der Ausstellung gezeigt werden.

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