Mit "coronakonformen Formaten" hatte Gaby Heyder, Geschäftsführerin des Veranstaltungsservice Bamberg, bei Open Airs auf der Böhmerwiese in Bamberg oder dem "Kellerfetzival" im letzten Sommer zwar viele Erfahrungen sammeln können. "Jedoch haben wir bis heute keine einzige Information seitens Behörden und Regierung, wie der diesjähriger Sommer in Bezug auf Veranstaltungen genehmigungsfähig sein wird", sagt sie.
Hatte es im Sommer 2020 Parameter wie maximal 400 Personen mit Abstand 1,5 Meter gegeben, wisse man nicht, ob solche Regeln gelockert oder verschärft werden und inwieweit es neue Auflagen zu geimpften Personen oder Schnelltests gibt. Das mache eine vernünftige Planung mehr als schwierig.
"Manche Kollegen wagen den Sprung ins Wasser und sind bereits mit Konzerten im Sommer im Verkauf, riskieren eine notwendige Verlegung oder sogar Absage wegen dann wieder bestehender Verbote. Wir warten aktuell noch etwas ab und hoffen, konkreteres zu erfahren, um dann unsere Konzepte, die fertig geplant in der Schublade liegen, für Juli/August noch starten zu können", beschreibt Heyder die derzeitigen Überlegungen.
Corona: Absagen für Veranstalter und Künstler ist die schlechteste Lösung
Zweckoptimismus herrsche in ihrem Büro angesichts der teilweise inzwischen zum vierten Mal verlegten Hallenshows und Open Airs bis weit in das Jahr 2022 hinein. Eine Absage wäre immer die schlechteste aller Lösungen, Künstler wie Kommunen und Hallen seien ebenso wie die Veranstalter daran interessiert, Nachholtermine zu finden und zu fixieren.
Neben der viel zitierten November- und Dezemberhilfen gebe es seitens der Politik eine ganze Reihe von Förderprogrammen unter dem Motto "Neustart Kultur", die allerdings eines gemeinsam haben: Finanzielle Hilfen gibt es nur dann, wenn die Veranstaltungen auch stattfinden und Kosten im Personal- und Material- und Werbebereich entstehen. Nur: Solange es keine Veranstaltungen gibt, sind diese Hilfen nur Versprechen. "Hier muss und sollte, je länger es Verbote und Einschränkungen im Veranstaltungsbereich gibt, eine weitergehende Lösung gefunden werden. ", fordert Heyder.
"Sobald wir die Möglichkeit haben zu veranstalten, werden wir dies tun"
"Viel Aufwand und wenig Ertrag", beschreibt Joachim Schulz vom Würzburger Veranstaltungszentrum "Posthalle" das, was er von den Erfahrungen mit coronakonformen Formaten der Vor-Lockdown-Monate mitgenommen hat. Aber, und das sei wesentlich, auch viel Emotion und glückliche Gesichter. "Sobald wir wieder die Möglichkeit haben werden zu veranstalten, auch nur coronakonform, werden wir dies tun", sagt der Chef der Posthalle, in der normalerweise rund 120 Veranstaltungen pro Jahr stattfinden.
Die Durststrecke für Künstler und Veranstalter scheint zwar nicht enden zu wollen. Aber Schulz schöpft dennoch Hoffnung: "Auch wenn sich aufgrund der Krise vieles nachhaltig ändern sollte, wird es trotzdem weitergehen. Ich bin zuversichtlich und ja, ich habe die Hoffnung, dass es auch in naher Zukunft den Wunsch auf reale, kollektive Erlebnisse geben wird", erklärt er. Kulturorte seien der Ort für Interaktion, Zuhören, Tanzen und Feiern. Dieses Bedürfnis werde auch in Zukunft nachgefragt werden.
Auch sieht Schulz die Fehler, die der Politik passieren, nicht ganz so eng. "Wir kommen eigentlich sehr gut durch die Pandemie. Die Impfungen haben Tempo aufgenommen und trotz flächendeckender Schließungen gibt es aufgrund von Förderungen keine Pleitewelle", erklärt der Posthallen-Macher. Sorge habe er allerdings für die Zeit nach der Pandemie, wenn Förderungen auslaufen und der Spielbetrieb nur zaghaft wieder anläuft. Hier werde die Kultur weitere Hilfe benötigen. Schulz rechnet mit einigen Jahren, bis die Umsätze wieder auf einem vergleichbaren Niveau sein werden wie 2019.
Keine Veranstaltungen trotz funktionierender Hygienekonzepte
Weitaus kritischer sieht Volker Heißmann, Entertainer und einer der Geschäftsführer der Comödie Fürth, den Umgang der politischen Entscheidungsträger mit Künstlern und Veranstaltern. Er wünscht sich, dass sich die Politik stärker an der Lebenswirklichkeit und nicht nur an Modellrechnungen orientiere. "Die besten Maßnahmen nutzen nichts, wenn die Menschen sie nicht verstehen oder nicht akzeptieren. Und dass die Politik anerkennt, wenn Bereiche wie zum Beispiel der Einzelhandel, die Gastronomie oder eben die Kultur funktionierende Hygienekonzepte vorlegen und nicht pauschal einzelne Branchen vollkommen unbegründet als vermeintliche Pandemietreiber abstempelt", erklärt Heißmann.
Diese Pandemie und vor allem der Umgang der Politik damit habe ihn gelehrt, dass man in dieser Branche eigentlich gar nichts mehr planen könne. "Wir haben in den letzten zwölf Monaten so viele Konzepte entwickelt und wieder verwerfen müssen, dass sie sich gar nicht mehr zählen lassen", blickt Heißmann zurück. Im vergangenen Jahr konnte die Comödie im Fürther Ronhof eine Open-Air-Reihe mit namhaften Künstlern veranstalten, die sicher und reibungslos über die Bühne gegangen ist. Für dieses Jahr setze man auf ein ähnliches Format, allerdings mitten in Fürth. Mit entsprechenden Abstands- und Hygiene-Maßnahmen wolle das Team endlich wieder das Leben zurück in die Stadt bringen. Losgehen soll es Mitte Juni.
Aufgeben war und ist für den langjährigen Kirchenvorstand seiner Gemeinde St. Paul in Fürth keine Option. Deswegen hoffe er auf eine halbwegs stabile Normalität, auch und gerade für den Kulturbetrieb, wenn im Sommer ausreichend Menschen geimpft sind. "Mit unserem längst vorliegenden Hygienekonzept, das auch den Einbau neuartiger Luftfilter vorsieht, kann nach menschlichem Ermessen auch im Theater nichts passieren. Wir glauben, dass sich nach dieser Zeit sehr viele Leute nach unbeschwerter Unterhaltung sehnen. Wir stehen jedenfalls bereit", so Heißmann optimistisch.
Open Air am Dutzendteich soll stattfinden
Rund 700 Standkörbe in ordnungsgerechtem Abstand positioniert werden vom 16. Juli bis 18. August eine Open-Air-Fläche im Volkspark Dutzendteich bevölkern. Damit können rund 1.400 Zuschauer pro Event beim "Strandkorb Open Air" ein breit gefächertes Kulturprogramm unter freiem Himmel genießen. Darunter Comedians wie Martina Schwarzmann oder Markus Krebs, Pop und Rock mit Haindling, Fury in the Slaughterhouse und Selig sowie Metal á la In Extremo oder Doro.
Das Concertbüro Franken hat dieses mit dem Deutschen Tourismuspreis 2020 ausgezeichnete Veranstaltungskonzept nach Nürnberg geholt, um den zweiten Corona-Sommer nicht ganz sang- und klanglos werden zu lassen. Von bargeldloser Gastronomie mit Lieferung zum Strandkorb, über kontaktlosen Einlass bis hin zu Desinfektionsmittel am Sitzplatz, ist alles durchdacht.
Geschäftsführer Peter Harasim meint, die "Strandkorb Open-Airs" seien ein durchaus attraktives Konzept, um Live-Auftritte unter Corona-Bedingungen genießen zu können. Man dürfe sich auch vor seinen Korb stellen und mitmachen. Wie jüngst Aerosol-Forscher festgestellt hatten, sei die Ansteckungsfahr draußen verschwindend gering. "Verdienen können wir auf diese Weise aber nur einen Bruchteil dessen, was sonst in einem gewöhnlichen Sommer möglich wäre", sagt Harasim.
Generell müsse nun aber seitens der Politik ein Umdenken her, was denn generell machbar sei, wenn die Temperaturen die Menschen ins Freie ziehen. "Es ist dann doch besser, draußen kontrolliert Veranstaltungen anzubieten", meint der seit vielen Jahrzehnten in der regionalen Szene aktive Veranstalter, der auch selbst Musiker ist.
Eine ganze Zeit lang habe er die politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gut nachvollziehen und mittragen können. Jetzt würden viele Politiker aber irrlichtern, hätten den Kompass verloren. Am meisten ärgere ihn, dass die Menschen im Land nicht in annehmbarer Zeit geimpft werden könnten. All die Bühnen, die eigentlich schon im Mai hätten öffnen können, müssen spätestens im Juni funktionieren.
Corona-Testzentrum im Club "Hirsch"
Das Concertbüro Franken habe auch seinen Beitrag in der Stadt dazu geleistet, sich an den Corona-Maßnahmen zu beteiligen. Im Club "Hirsch" hatte man monatelang ein Testzentrum aufgebaut und täglich bis zu 400 Menschen Proben abgenommen. Die kurz vor Weihnachten neu aufgebaute Struktur wurde aber schließlich behördlicherseits nicht mehr gewollt und daher eingestellt. Ein Punkt, den Harasim Kopfschütteln lässt: "Der Staat meint, er kann alles selbst leisten, kann er aber nicht. Seine Angestellten machen pünktlich Feierabend und gehen am Freitag ins Wochenende. Unser Tag in der Veranstaltungsbranche dagegen kennt solche starren Zeiten gar nicht", erklärt er.
Generell sei in vielen Regionen des Republik versäumt worden, in der Pandemiebekämpfung private Unternehmen, die beispielsweise Disziplinen wie Terminvergaben für das Impfen oder Testen von Berufs wegen ohnehin beherrschen, mit ins Boot zu holen. Er habe oft den Eindruck, dass zahlreiche Politiker derzeit mehr mit dem Wahlkampf als mit den Problemen der Bürger zu tun haben.
Regelmäßig steuert das Team rund um Harasim auch die Nürnberger Jugendkirche LUX für Veranstaltungen an. Ob die Privilegierung für manche öffentliche Formate im religiösen Raum dann eine Art "Hintertür" wäre? "Das wäre unredlich. Ich veranstalte seit 40 Jahren Konzerte, da muss ich nicht betrügen", weißt Harasim solche Überlegungen zurück. Er wolle nicht in Situationen kommen, bei denen er Dinge "umlabeln" muss.
Langweilig wird den Mitarbeitern des Concertbüros trotz ausbleibenden Shows derzeit übrigens nicht. Man schiebe seit Monaten ständig um die 500 Veranstaltungen vor sich her und plane immer mit Vorlauf so, als ob man auch tatsächlich das Event durchziehen könne. Positiv stimme ihn die Hoffnung, dass die Zeit eines Tages wiederkomme, seine Arbeit wie früher verrichten zu können, auch wenn Harasim sich keine Illusionen macht, dass in diesem Jahr noch Veranstaltungen ohne jegliche Einschränkungen stattfinden.
Keine Zwei-Klassen-Gesellschaft von Geimpften und Ungeimpften
Ein bisschen neidisch blickt er auf Länder, die es mit Corona weitaus härter getroffen hat und die jetzt schon wieder ihre Bühnen bespielen wie vor der Pandemie. Allen voran die USA oder Großbritannien oder andere Länder, die früher und mehr Impfstoff bestellt hätten.
Gewappnet ist Harasim jedenfalls für entsprechende Vorgaben, was die Kontaktverfolgung oder das Erfassen von Gästedaten zwecks Infektionsschutz angeht. "Ich glaube nicht, dass künftig nur noch derjenige ein Konzert besuchen darf, der einen gültigen Impfpass vorlegt. Aber unsere Branche wird sicherlich auch kreative Beiträge leisten, um sicherzustellen, dass man Veranstaltungen sicher durchführen und auch besuchen kann", meint er. Auf keinen Fall wolle er eine Zwei-Klassen-Gesellschaft von Geimpften und Ungeimpften.