Hermine Heusler-Edenhuizen: In aller Kürze

Hermine Heusler-Edenhuizen wird 1872 als fünftes von neun Kindern bei Emden geboren. Ihr Vater arbeitet als Arzt. Zunächst besucht sie die private Töchterschule, danach will sie Lehrerin werden, kann sich aber nicht gegen ihren Vater durchsetzen. 1894-1898 holt sie bei der Frauenrechtlerin Helene Lange in Berlin ihr Abitur nach. 1909 wird sie die erste Spezialärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Deutschland. Ab 1911 leitet sie die neu gegründete "Poliklinik für Frauen" in Berlin. Bis 1938 arbeitet sie als niedergelassene Ärztin in der Hauptstadt. Heusler-Edenhuizen ist Mitbegründerin des Bunds Deutscher Ärztinnen und von 1924 bis 1928 erste Vorsitzende. Heusler-Edenhuizen stirbt 1955 in Berlin.

 

"Fern von jeglichem Einfluss frauenrechtlicher Ideen bin ich in einem kleinen ostfriesischen Dorf, Pewsum bei Emden, aufgewachsen", schrieb sie rückblickend in ihrer Autobiografie. Als sie mit der Schule fertig war, wollte Heusler-Edenhuizen zunächst Lehrerin werden. Ihr Vater war dagegen, ihre weitere Ausbildung stockte. Heusler-Edenhuizen kränkelte, geriet in eine Sinnkrise.

Ihre Neugier und Wissbegierde aber gab sie nicht auf. Heusler-Edenhuizen las in jener Zeit viel. Mit 21 Jahren blätterte Heusler-Edenhuizen in einer Ausgabe der Zeitschrift Die Frau. Das Medium war eine wichtige Stimme der Emanzipationsbewegung. Begründet worden war die Zeitschrift von Helene Lange, einer Frauenrechtlerin und Politikerin der linksgerichteten Deutschen Demokratischen Partei.

Durch Die Frau wurde Heusler-Edenhuizen zum ersten Mal auf die sogenannten Gymnasialkurse bei Helene Lange aufmerksam. Da fasste Heusler-Edenhuizen einen Entschluss: Sie wollte Medizin studieren und Frauenärztin werden. Ein Jahr später erhielt sie die Erlaubnis von ihrem Vater, bei Helene Lange ihr Abitur in Berlin zu machen. 1898 schaffte sie auch die Zulassung zum Studium – gegen die Vorbehalte der Professoren.

Heusler-Edenhuizen gehörte zu den ersten Studentinnen in Deutschland

Frauen durften sich bis Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht an Universitäten immatrikulieren, sondern nur als Gasthörerin an Vorlesungen teilnehmen. Das änderte sich erst um 1900. Sechs Jahre nach ihrer Zulassung wurde Heusler-Edenhuizen als eine der ersten Frauen der Universität Bonn zur Dr. med. promoviert. Und 1909 wurde sie die erste Frauenärztin Deutschlands.

Auch nach der Heirat mit Dr. med. Otto Heusler im Jahr 1912 und der Adoption zweier Kinder gab sie ihren Beruf nicht auf – entgegen allen Erwartungen. Heusler-Edenhuizen plädierte für eine neue Rollenverteilung von Mann und Frau: "Ein Mann nach altem Stil, der in der Ehe auf allen Gebieten der ‚Herr im Hause‘ sein will", sagte sie, "kann mit einer selbstbewussten, berufstätigen Frau nicht in Ruhe und Frieden leben."

Die Emanzipationsbewegung erlebte Heusler-Edenhuizen als Kraftakt – in jeder Hinsicht

Am Ende ihres Studiums, so erzählte sie später, forderte ihr Lehrer Professor Fritsch sie mit einer unlauteren Prüfung heraus. In einer simulierten Geburt schob er ihr demnach ein viel zu großes Kind unter. Als Heusler-Edenhuizen das bemerkte, so erinnert sie sich, überkam sie "ein kolossaler Zorn, ich nahm alle meine Kraft zusammen und zog noch einmal, zog und flog mitsamt dem Kind und dem Kopf an die dahinterstehende Wand". Mit Genugtuung beobachtete sie, wie ein männlicher Student an der Aufgabe scheiterte. Trotzdem geriet sie in jener Zeit in Zweifel:

"Sollten wir Frauen doch nicht Kräfte genug haben? Sollte alles Illusion sein?"

Heusler-Edenhuizen sah sich deshalb als Kämpferin – nicht nur für sich persönlich, sondern für die Rechte von Frauen in Deutschland. Heusler-Edenhuizen stellte wegweisende Forderungen an die Gesundheitspolitik: Die Ärztin sprach sich frühzeitig für kostenlose Verhütungsmittel für Bedürftige aus, getragen von den Krankenkassen. Dabei war der öffentliche Vertrieb wie auch die Werbung für Verhütungsmittel noch in der Weimarer Republik verboten. Kondome waren teuer, für Arme kaum bezahlbar. Noch heute rufen Familienverbände wie etwa "Pro Familia" dazu auf, sozial Schwache von den Kosten für Verhütungsmittel zu befreien, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern.

Hermine Heusler-Edenhuizen und der Abtreibungsparagraf §218

In den 1920er-Jahren schloss sich Heusler-Edenhuizen der Diskussion um den umstrittenen Abtreibungsparagrafen §218 StGB an. Abgeordnete der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) stellten damals einen Antrag, den Paragrafen abzuschaffen; Schwangere, die vorsätzlich abtrieben, mussten mit Strafen von mindestens einem Jahr rechnen.

In den 1920er-Jahren herrschte Wohnungsnot, aufgrund der Wirtschaftskrise gerieten viele Menschen in Armut. Heusler-Edenhuizen kritisierte den §218 StGB als Last, besonders für sozial Schwache: "Die Zahl der Frauen, die er ins Unglück stürzt, ist unbegrenzt", so Heusler-Edenhuizen.

"Ein Volk in Not lässt sich nicht durch einen Strafparagraphen dazu erziehen, die Not noch weiter zu steigern, sondern es hilft sich verzweifelt, so gut und schlecht es kann."

Das Thema hat nicht an Aktualität verloren: Schwangerschaftsabbruch ist nach wie vor strafbar. Ausgenommen sind heute – mit Einschränkungen – Fälle, in denen die Schwangere den Abbruch verlangt und ein Beratungsgespräch nachweisen kann. Weitere Lockerungen werden immer wieder diskutiert. Heusler-Edenhuizen hat jene Debatte frühzeitig vorangetrieben. Die Rechte der Frau und ihre Freiheit zur Entscheidung über ihren eigenen Körper haben damit neues Gewicht bekommen.

 

Weitere Informationen zu Hermine Heusler-Edenhuizen

"Rebellinnen": Die Ausstellung über starke Frauen

Dieser Text ist Teil der Wanderausstellung "Rebellinnen". Sie stellt Frauen aus dem deutschsprachigen Raum vor, die für ihre Überzeugungen und Rechte kämpften, die Gesellschaft prägten, sie verändern wollten.

Als Medienpartner von "Rebellinnen" veröffentlicht sonntagsblatt.de Porträts und weiterführende Informationen zu allen Frauen, die in der Ausstellung gezeigt werden.

Sie haben Interesse daran, die Ausstellung zu besuchen oder auszuleihen? Auf ausstellung-leihen.de finden Sie künftige Termine sowie die Online-Buchung.