Sicher wären es noch viel mehr gewesen, bemerkte der Leiter des Evangelischen Bildungs- und Tagungszentrums (EBZ), Andreas Beneker, in seiner Andacht, aber angesichts der Coronamaßnahmen konnten leider nicht alle eingeladen werden. Joachim Twisselmann war 30 Jahre am Evangelischen Bildungszentrum in Bad Alexandersbad tätig, die meiste Zeit als stellvertretender Leiter der Einrichtung. 30 Jahre, in denen er tiefe Spuren hinterlassen hat, wie der Wunsiedler Landrat Peter Berek in seiner Rede anmerkte.

"Ich verdanke Joachim Twisselmann eigentlich meine politische Laufbahn"

Er hätte nämlich nie ein politisches Amt angestrebt, aber über der Bürgerbühne des EBZ wurde die Brücke zum politischen Leben geschlagen. Denn obwohl politische Ämter viel Zeit binden, "können sie auch Lustgewinn sein", so Berek weiter. Er wurde sehr gut auf die politische Bühne vorbereitet, eben auch durch Gespräche mit Twisselmann. "Tempo ist das Taschentuch und Twisselmann das EBZ", mit diesem Vergleich sprach Berek die tiefen Spuren an, die Twisselmann in der Erwachsenenbildung im Fichtelgebirge hinterlassen hat.

Joachim Twisselmann: Aus fast 200 Bewerbungen ausgewählt

Als Twisselmann 1991 in Bad Alexandersbad anfing, war die Welt im Fichtelgebirge noch eine andere. Die Grenzen waren offen, es herrschte eine unglaubliche Euphorie. Das ehemalige Zonenrandgebiet, zu dem auch das Fichtelgebirge gehört hatte, war auf einmal mittendrin in Europa, keine Grenze trennte die Deutschen mehr. Schon Mitte der 1990er-Jahre brach diese Euphorie dann aber zusammen, "weil auf einmal deutlich wurde, dass die sogenannte Zonenrandgebiet-Förderung auch vieles konserviert hat, was eigentlich andernorts schon der Weltmarktkonkurrenz zum Opfer gefallen war", so Twisselmann im Gespräch mit dem Sonntagsblatt. Tausende Arbeitsplätze in der Textil- und Porzellanindustrie sind damals weggefallen. "In den 90er-Jahren wollten manche die Mauer wiederhaben", erinnert sich der Pädagoge.

Grenzöffnung war Fluch und Segen für die Grenzregion

Das Evangelische Bildungszentrum sollte in dieser Zeit als Ort der Begegnung fungieren, um die Menschen aus Böhmen, Sachsen, Thüringen und Bayern zusammenzubringen. "Die Menschen stärken, die Sachen klären", einer der Lieblingssätze von Twisselmann, bekommt gerade in dieser Zeit eine große Bedeutung. Die Menschen lieben ihre Heimat, aber durch den Niedergang der Industrie verloren viele auch ihr Selbstbewusstsein. #

Gemeinsam mit dem kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt wurde das Projekt "BürgerBühne Fichtelgebirge" entwickelt. Auf der Bürgerbühne im EBZ kamen damals die Menschen zu Wort. Auch der jetzige Landrat Peter Berek hatte dort seine ersten Redenszeiten im politischen Sinne. Aus dieser Bühne heraus hat sich viel entwickelt, das Lebensgefühl der Bürger wurde gestärkt – mittlerweile befindet sich das Fichtelgebirge wieder auf dem aufsteigenden Ast. Nicht ohne Stolz erwähnt Twisselmann, dass viele der jetzigen Aktionen, wie das evangelische Netzwerk "Gemeinsam für die Region", ihren Ursprung im EBZ hatten.

Twisselmann: Als Norddeutscher in Franken heimisch geworden

Ein wichtiger Aspekt in der Arbeit von Twisselmann war auch sein Augenmerk auf der "Bewahrung der Schöpfung." Neben verschiedenen Seminaren über die Nachhaltigkeitsthematik steckte er viel Energie in die praktische Umsetzung. Er initiierte ein Blockkraftheizwerk für das EBZ oder bemühte sich, im Haus Menschen zu begeistern, damit Energiegenossenschaften gegründet werden konnten.

Twisselmann, der 1991 aus 190 Bewerbungen für die Stelle am EBZ ausgewählt worden war, ist jedoch lieber im Hintergrund, zieht Strippen. Der Pastorensohn aus dem Holsteinischen ist der Älteste von sieben Geschwistern: "Das hat mich natürlich geprägt." Und obwohl er auch nach 30 Jahren – "eigentlich mein halbes Leben" – immer noch nicht Fränkisch spricht, bleibt Twisselmann Bad Alexandersbad treu. Er will seinen Ruhestand hier genießen. Aber so ganz wird er nicht von heute auf morgen aufhören. Im Programmheft des Bildungshauses ist er auch 2022 in manchem Seminar noch als Referent verzeichnet.

In 30 Jahren hat sich viel verändert, aus der eher betulichen Evangelischen Heimvolkshochschule wurde das Evangelische Bildungs- und Tagungszentrum. Ein Zentrum, in dem viele wichtige Persönlichkeiten aus Kirche Politik und Gesellschaft zusammenkommen. Ein großes Haus, das auch Raum bietet für große Konferenzen. Joachim Twisselmann kann zur Recht stolz sein, in den vergangenen Jahren entscheidend dazu beigetragen zu haben, "die Menschen zu stärken und die Sachen zu klären".