Gertraud Hahnkamp war 1971 nach Roth gezogen. Als junge Mutter merkte sie bald, dass die Rolle der Hausfrau sie nicht erfüllt und dass es in ihrer Umgebung viele gleichgesinnte junge Frauen mit Kindern gab, die sich gegenseitig unterstützen wollten. Nicht einfach nur bei der Kinderbetreuung, sondern auch in den Fragen des Alltags rund um Kindererziehung und individuelle Weiterbildung. Sie gründete den ersten Mütterkreis in der Region.

"Dass wir einen Pfarrer brauchen, um uns zu helfen, daran hat keine von uns gedacht", muss sie noch heute schmunzeln, wenn sie sich daran erinnert, was kurz darauf geschah. Denn der Vorstoß innerhalb seiner Gemeinde machte den damaligen Pfarrer und späteren Dekan Günther Bauer neugierig. Dass 1972 das Erwachsenenbildungsförderungsgesetz in Bayern verabschiedet worden war, ermutigte Bauer, Ehrenamtliche in den Gemeinden des Dekanats zu ermutigen, eigene Angebote weit über den Bereich Mutter-Kind hinaus zu gestalten. Ein Jahr später war das Evangelische Bildungswerk (EBW) Schwabach als Verein gegründet.

Kirchentag und Katzwanger Dammbruch

Ende der 1970er-Jahre übernahm Sozialpädagoge Gerhard Wendler das Ruder. Die Vorbereitung zum Kirchentag in Nürnberg 1979 oder ein Jahr zuvor das 450. Jubiläum der "Schwabacher Artikel", eine der frühesten lutherischen Bekenntnisschriften sind die angenehmeren Themen, mit denen er sich in seiner Zeit befasste. "Dann kam 1979 aber der Dammbruch in Katzwang und die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust nach der Ausstrahlung der gleichnamigen TV-Serie", erwähnt Wendler die denkwürdigen Fixpunkte seiner Jahre. In diese Zeit setzt sich das "EBS" auch für das heute ganz selbstverständliche "Rooming-In" von Mutter und Kind nach der Entbindung im Schwabacher Klinikum ein. 

Sein Nachfolger Bernd Wohlgemuth war dann der erste pädagogische Leiter mit einer ganzen Stelle im Verein. Der Rummelsberger Diakon erinnert sich heute noch gerne an die vom EBW organisierten Freizeiten oder Studienreisen, die unter anderem nach Rumänien oder Israel führten. Mittlerweile war mit Renate Bär eine Verwaltungsfachkraft mit im Team, die 30 Jahre lang die korrekte Abwicklung der "Teilnehmerlehreinheiten" – quasi die "Währung" zur Abrechnung von Leistungen nach dem Erwachsenenbildungsgesetz – im Blick hatte. Die Zahl der Mutter-Kind-Gruppen war seit den Anfängen in Roth mittlerweile massiv gestiegen, und damit auch die Organisationsaufgaben für die Angebote in den 26 Kirchengemeinden des Dekanats. 

Öffnung in die Stadtgesellschaft

Mit Gert Homeier folgte wiederum ein Rummelsberger, der den Bereich der Bildungsreisen um Veranstaltungen zu Erlebnispädagogik erweiterte. "Um die Jahrtausendwende wurde politische Bildung immer wichtiger auch für eine Institution wie das EBW", meint er. Gestärkt wurde zudem die Ökumene in der Zusammenarbeit mit der katholischen Erwachsenenbildung in Schwabach. Zudem öffnete sich das EBW auch immer weiter in die Stadtgesellschaft, indem beispielsweise mit dem örtlichen Bauernverband kooperiert wurde.

Emanzipation und Inklusion waren dann zu Beginn der 2000er-Jahre wichtige Themen für Martin Milius, der zehn Jahre lang das EBW leitete, aber noch in jungen Jahren verstarb. Margot Huyskens beerbte ihn, quasi in Stellenteilung mit ihrem Amt als Referentin für Dekan Klaus Stiegler. Als der im August 2019 Regionalbischof von Regensburg wurde, schlug die Stunde für einen, der schon jahrzehntelang im Vorstand des Vereins aktiv war und nun Geschäftsführung und Vorsitz notgedrungen in Personalunion übernehmen musste: Paul Rösch.

"Dann kam auch noch Corona – und von einen Tag auf den anderen hatten wir massiv zu kämpfen und zu improvisieren", blickt Rösch zurück. Diakonin Friederike Spörl-Springer, die seit 2010 als pädagogische Leiterin fungierte, stand aber zur Seite. Und als Pfarrerin Ulrike Bartelt im Dezember 2021 die Geschäftsführung des EBW übernahm, waren die Corona-Sorgen schon langsam am Abflauen und eine engagierte Kraft gefunden. Seit einigen Monaten ist Anette Steines offiziell für den Bereich Familienarbeit  mit im Team.

Sechs Mitglieder bilden zusammen mit einer Vorsitzenden-Persönlichkeit den Vorstand des EBW Schwabach. Diese ist qua Amt derzeit die Schwabacher Dekanin Berthild Sachs. Dass es seit 2021 eine eigene Stiftung für das Werk gibt, macht die finanzielle Planung um einiges leichter. Im "Evangelischen Haus" in Schwabach ist das EBW auch physisch mittendrin im gesellschaftlichen Leben der Stadt – im evangelischen sowieso.

 

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