Die Quantenphysik befasst sich mit den kleinsten Bausteinen der Materie, deren Dimensionen die menschliche Vorstellungskraft übersteigen. Oft ist das Verhalten dieser Bausteine für unseren Verstand zunächst irrational. Doch ohne diese physikalischen Gesetze wäre unsere Welt nicht die, die wir kennen. Neben der Künstlichen Intelligenz gehen viele Wissenschaftler davon aus, dass die Quantentechnologie der nächste große Trend sein wird. 

Der Innsbrucker Professor für Innovationsrecht, Matthias Kettemann, beschäftigt sich mit den ethischen Fragestellungen der Quantentechnologie. Er leitet das Quantum Ethics Lab. Es ist die erste Einrichtung dieser Art in Europa und er untersucht, wie Standards und Richtlinien entwickelt werden können, die Fairness gewährleisten und digitale Ungleichheiten abbauen. Im Podcast Ethik Digital erklärt er, warum es sich lohnt, frühzeitig mit der Technologie zu beschäftigen. Und er schildert, wie wir die Fehler vermeiden können, die etwa im Bereich der Regulierung von Künstlicher Intelligenz gemacht werden. 

Das Kurzinterview entstand auf der re:publica in Berlin 2025. Dort habe ich mit verschiedenen Expertinnen und Experten gesprochen, die sich mit dem Thema Ethik beschäftigen. Insgesamt wurden drei Gespräche aufgezeichnet, die alle auf Youtube und im Podcast www.ethikdigital.de angeschaut und gehört werden können. 

 

Was machen Sie am Quantum Ethics Lab?

Kettemann: Die Quantentechnologie ist ja nicht ganz neu. Wir hatten ja schon 100 Jahre Geschichte. Es gibt auch schon einige Anwendungen, aber erst jetzt befinden wir uns im Zeitalter der zweiten großen Revolution.

Die UNO hat das Jahr 2025 zum Jahr der Quanten erklärt und gesagt: Wir müssen sicherstellen, dass wir Quantentechnologie so verwenden, dass sie für die nachhaltige Entwicklung etwas bringt, dass sie die Welt weiterbringt.

Und wie geht das? Das sind die Fragen, die wir uns dann stellen, wenn wir uns über die ethischen und Regulierungsprinzipien der Quantentechnologie, der Quantenwissenschaft unterhalten. Und jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt dafür.

Wir sollten nicht warten, bis die Technologie quasi mehrheitsfähig wird und von allen genutzt wird und erst dann regulieren. Das hat sich nicht als guter Ansatz erwiesen, wenn man auf die großen Plattformen blickt, auf Social Media, wenn man auf die KI blickt, dann sehen wir doch, dass wir besser früher hätten regulieren sollen.

Jetzt haben wir große, mächtige Unternehmen, jetzt haben wir unwillige Staaten. Wir haben Datenmengen, die wir nicht mehr wegbekommen. Und all das ist eine Konsequenz, weil wir eben nicht rechtzeitig reguliert haben. Und jetzt haben wir eine Chance, eine einmalige Chance, in einem neuen Bereich, eben der Quantentechnologie, hier alles besser zu machen, jetzt schon die ethischen Regeln zu setzen, die nötig sind. Und Quantentechnologie und Quantenwissenschaft auch für die nächste Generation sinnvoll nutzbar zu machen.

Welche Ansätze gibt es da?

Kettemann: Es gibt zwei grundsätzliche Ansätze, indem man sagt nämlich, wir sollen sicherstellen, dass neue Technologien für die gesamte Welt positive Effekte bringen, eine globale Solidarität. Das haben wir weder bei der KI noch bei den großen Plattformen noch generell bei Technologie gut hinbekommen. Die digitalen Gräben werden immer tiefer. Das sollte man, wenn man das jetzt regulieren kann, in der Quantentechnologie anders hinstellen. Dass Quantentechnologie wirklich eingesetzt wird, um global für nachhaltige Entwicklung zu sorgen.

Und die zweite Dimension ist, dass wir sicherstellen müssen, dass wir heute schon jene Regeln setzen, die dafür sorgen, dass die nächsten Generationen immer noch in Freiheit und Würde leben können. In der Quantentechnologie sind intergenerationale Gerechtigkeit und Solidarität zwei ganz zentrale Prinzipien, die auf UNO-Ebene umgesetzt werden sollten, um die Quantentechnologie nachhaltig zu entwickeln zu lassen.

Was kann, was sollte die Zivilgesellschaft tun?

Die Zivilgesellschaft sollte dringend anfangen, sich mit Quantenphysik zu beschäftigen und Quantentechnologie als ein neues Regulierungsfeld begreifen. Medien sind dafür immer noch bedeutend. Es gibt inzwischen einige Akteure, die sich mit KI beschäftigen, hingegen im Bereich der Quantentechnologien noch sehr, sehr wenige.

Das Quanten-Ökosystem in der Zivilgesellschaft ist noch eher dünn besetzt und hier gibt es wirklich noch große und wichtige Entscheidungen zu treffen. Und da kann man nur profitieren, wenn man zivilgesellschaftliches Input bekommt.

Warum beschäfigten Sie sich mit dem Thema?

Ich bin nach Innsbruck berufen worden vor drei Jahren, und in Innsbruck ist ein großes Forschungszentrum für Quantenwissenschaft. Der Nobelpreisträger von vor zwei Jahren, Anton Zeilinger, hat in Innsbruck gelehrt und seine ersten Versuche gemacht. Quantenphysik ist einfach ein großes universitäres Forschungsthema. Mir ist aufgefallen, dass es betrieben wird, ohne über die ethischen und Governance-Aspekte nachzudenken und habe beschlossen, wenn es kein anderer macht, dann macht man es halt selbst und habe dann einen Thinktank gegründet, um mich mit Quantenforschung zu beschäftigen.

Vielen Dank für das Gespräch

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