Die Kinderarbeit ist weltweit wieder angestiegen. Nach jüngsten Schätzungen waren Anfang 2020 weltweit 160 Millionen Kinder betroffen, wie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und das Hilfswerk Unicef in Genf und Köln mitteilten. Damit habe sich in den vergangenen vier Jahren die Zahl um 8,4 Millionen erhöht, hieß es anlässlich des Welttags gegen Kinderarbeit (12. Juni). Zum ersten Mal seit 20 Jahren stagniere der Fortschritt im Kampf gegen die Kinderarbeit.

Fast die Hälfte der Kinder müssten eine gefährliche Arbeit verrichten, die Gesundheit, Sicherheit und moralische Entwicklung direkt gefährde. Darunter fallen Dienste in Fabriken, Minen oder Landwirtschaft. Im Zuge der Corona-Pandemie drohten weitere neun Millionen Mädchen und Jungen bis zum Ende des Jahres in die Kinderarbeit abzurutschen, warnten die Vereinten Nationen. ILO-Generaldirektor Guy Ryder rief die Staaten auf, entschlossen dagegen vorzugehen. "Wir können nicht tatenlos zusehen, während eine Generation von Kindern gefährdet ist."

Den Zahlen zufolge müssen sich 63 Millionen Mädchen und 97 Millionen Jungen verdingen, das sei nahezu jedes zehnte Kind auf der Erde. Brennpunkt der Kinderarbeit seien die Länder Afrikas südlich der Sahara, wo seit 2012 die Kinderarbeit absolut und prozentual angewachsen sei. Dort gebe es jetzt mehr Kinderarbeiter als im Rest der Welt zusammen.

Corona hat Schulbildung wieder erschwert

Durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Schulschließungen auf der ganzen Welt wurde zudem der Zugang zu umfassender Schulbildung maßgeblich erschwert, wie das Bischöfliche Hilfswerk Misereor mitteilte. Verschiedene Partnerorganisationen aus Indien berichteten, dass Kinder Gefahr liefen, nicht mehr in die Schule gehen zu können und arbeiten zu müssen - meist im informellen Sektor, in dem Arbeitsrechte kaum umgesetzt werden. "Ein Ende der Pandemie wird leider nicht direkt zu einer Verbesserung der Situation führen, da viele Eltern es sich nicht mehr leisten können, ihre Kinder zur Schule zu schicken", erklärte Misereor-Geschäftsführer Thomas Antkowiak.

Auch die Vorstandsvorsitzende der Kindernothilfe, Katrin Weidemann, zeichnete ein düsteres Bild: Der weltweite Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit werde immer härter. "Kinder sind die größten Verlierer dieser Krise und werden in ihrer Entwicklung ausgebremst. Dabei haben Mädchen und Jungen ein Recht darauf, geschützt und gehört zu werden."

Das Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene verwies darauf, dass die Gründe für Kinderarbeit vielfältig seien. Die Einkommensarmut der Familien führe die Liste der Ursachen aber weiterhin an. Trockenheit, Überschwemmungen und andere Folgen des Klimawandels verstärkten zudem häufig die Armut. Aber auch der niedrige Weltmarktpreis für Produkte wie Kakao, Kaffee oder Textilien seien ein Grund für die Not vieler Familien und die Ausbeutung Minderjähriger.

Zur Lösung des Problems müssten auch Deutschland und die EU einen Beitrag leisten. Deutschland müsse "das vereinbarte Lieferkettengesetz beschließen und sich auf der europäischen Ebene für eine noch stärkere Regulierung einsetzen", erklärte Eva-Maria Reinwald vom Südwind-Institut.