Der Liebenzeller Gemeinschaftsverband (LGV) ist eine Institution in Württemberg und seinen Nachbarkirchen Baden, Bayern und Hessen-Nassau. An rund 270 Orten treffen sich Mitglieder und Freunde, der Verband beschäftigt rund 130 Hauptamtliche und erreicht regelmäßig rund 19.000 Menschen - und das bislang überall im Einvernehmen mit den evangelischen Landeskirchen. In Württemberg ist es nun aber zum Bruch gekommen.

Anlass ist ein Beschluss des pietistischen Verbands vom 12. November, beim baden-württembergischen Kultusministerium einen Antrag auf Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu stellen. Dieser Antrag wurde am 29. Dezember eingereicht. Der LGV geht von einer Bearbeitungsdauer von eineinhalb Jahren aus.

Antrag auf Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts

Doch der württembergische Oberkirchenrat reagierte auf den Beschluss binnen weniger Wochen: Schon am 21. Dezember informierte Rechtsdezernent Michael Frisch alle Pfarrämter, dass die Vereinbarungen zwischen Kirche und Verband ab sofort nicht mehr gelten.

Der LGV-Vorsitzende Martin Siehler erhofft sich vom Körperschaftsstatus große Vorteile. So habe man viele Menschen in den Gemeinschaften, die keiner der großen Kirchen angehörten und auch nicht angehören wollten, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ihnen könne man künftig Heimat bieten. Auch könnten die Gemeinschaften freier agieren und etwa Sonntagvormittags Gottesdienst feiern - das sei bislang vielerorts noch nicht erlaubt.

Liebenzeller Gemeinschaftsverband erhofft sich Vorteile von neuem Status

Selbst bei Immobiliengeschäften, Mietfragen oder dem Nachweis der Gemeinnützigkeit helfe der Körperschaftsstatus, sagt Siehler. Kirchensteuer werde der LGV aber auch künftig nicht erheben, man werde weiterhin von Spenden leben. "Doppelmitgliedschaften" seien ausdrücklich erwünscht. 

Der Verband sehe sich auch zukünftig "in enger Verbindung mit der Landeskirche", gewinne aber als Körperschaft mehr "Beinfreiheit".

Position der württembergischen Landeskirche

Die württembergische Landeskirche bedauert den Beschluss des LGV. Oberkirchenrat Frisch formulierte in seinem Schreiben vom Dezember, der LGV habe sich "vom religiösen Verein innerhalb der Landeskirche zu einer Religionsgemeinschaft neben der Landeskirche gewandelt". Damit fänden die gegenseitigen Abmachungen keine Anwendung mehr.

Das heißt beispielsweise, dass ein beim LGV getaufter Mensch nicht mehr automatisch Mitglied der württembergischen Landeskirche wird. Das ist aus Sicht des Verbandes durchaus beabsichtigt, wie der Vorsitzende Siehler bestätigt, da manche Menschen gerade nicht Mitglied in der Volkskirche werden wollten.

Für Dan Peter, den Sprecher der Landeskirche, entsteht aber genau hier ein Problem: "Wenn man Menschen nicht in die Landeskirche tauft - wohin dann?"

Hier werde deutlich, dass der LGV damit zur Freikirche werde und insofern nicht mehr Teil der Landeskirche sein könne.

Peter räumt ein, dass die Hürden für Gemeinschaften innerhalb der Landeskirche hoch seien, ein eigenständiges Leben als sogenannte Gemeinschaftsgemeinden zu führen und etwa am Sonntagvormittag zum Gottesdienst einzuladen. So müsste dem immer die evangelische Kirchengemeinde zustimmen, was in den vergangenen Jahren an mehreren Orten gescheitert sei.

Verhandlungen

Bei der Weiterentwicklung der Vereinbarungen mit den pietistischen Gemeinschaften werde man über diesen Punkt noch einmal verhandeln. Ob durch den LGV veranstaltete Konfirmationen und kirchliche Trauungen von der Landeskirche anerkannt werden, müsse neu vereinbart werden.

Entspannter gehen mit dem Thema die Nachbarkirchen um. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern sieht vorerst keinen Handlungsbedarf, wie ein Sprecher dem epd mitteilte. Der Pressesprecher der Evangelischen Landeskirche in Baden sagte, seine Kirche wolle erst einmal abwarten, ob das Kultusministerium den Körperschaftsantrag überhaupt genehmigt.

Für die württembergische Landeskirche ist es dagegen unerheblich, ob der Antrag nun durchgeht oder nicht. Sie hält schon die Absicht, diesen Antrag zu stellen, für trennend. Aus ihrer Sicht muss der Verband seinen Beschluss zurücknehmen und seine Satzung wieder so ändern, dass er sich ausdrücklich als Teil der Landeskirche begreift.

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