Um 9.30 Uhr öffnen sich die Türen der ökumenischen Wärmestube in der Nürnberger Köhnstraße. Statt Dutzenden Menschen, die üblicherweise hereinströmen, steigen nun einzeln die Besucher die Stufen zum Essenssaal hinauf. Das liegt am engen Hygienekonzept. "Alle werden an der Eingangstür registriert, es wird Fieber gemessen und desinfiziert", erzählt die Leiterin Manuela Bauer. Nur 18 Personen dürfen gleichzeitig in die Innenräume gelassen werden - das entspricht ungefähr einem Viertel dessen, was vor der Pandemie möglich war. Durch Maskenpflicht und Abstand kommt die Wärmestube bisher noch ohne 3G aus. Wie lange das noch möglich ist, weiß niemand.

Die meisten akzeptieren die Hygienevorschriften und halten sich daran. Auch Frank, der seit vier Jahren zum Essen und Duschen herkommt. "Die Regeln sind okay. Ich bin froh, dass offen ist. Ich wüsste sonst nicht, wo ich hingehen soll." Durch die Beschränkungen mit 3G oder 2G sind viele warme Alternativen für Wohnungslose weggefallen. Selbst Einkaufszentren müssen nun darauf achten, wie viele Personen sie reinlassen.

Die soziale Situation der Menschen wird durch die Pandemie verstärkt 

Manuela Bauer sieht, dass das eine große Frustration bei den Menschen erzeugt. "Das Gefühl, am Rand der Gesellschaft zu stehen, wird durch die Pandemie noch viel deutlicher." Auch in der Wärmestube äußern sich immer wieder Wut und Erschöpfung. In dieser Situation hilft es, dass durch die Einlassbeschränkung jeder viel Platz für sich hat. "Das nimmt viele körperliche Aggressionen weg. Wir haben jetzt mehr inhaltliche Auseinandersetzungen, zum Beispiel über die Impfung." Wie beim Durchschnitt der Gesamtbevölkerung sind etwas zwei Drittel der Klienten geimpft.

"Viele haben wir über unsere eigenen Impfaktionen erreicht. Am 16. Dezember ist die nächste."

Seitdem im Sommer ein zweiter Tagesaufenthalt für Männer im Süden der Stadt am Dianaplatz eröffnet wurde, sei die Situation etwas entspannter, meint die Sprecherin der Stadtmission Tabea Bozada. Während die Wärmestube jedoch früher auch Menschen betreten durften, die eine eigene kleine Wohnung oder ein Zimmer haben, ist sie derzeit nur für wirklich obdachlose Menschen geöffnet. Sie schlafen in Abbruchhäusern, unter Brücken oder kommen für die ein oder andere Nacht bei Bekannten unter. Weil wegen der Pandemie die Besucher registriert werden müssen, weiß man jetzt, dass das ungefähr 300 Gäste sind. "Das ist mehr, als wir zuvor geschätzt haben", sagt Bozada. In der ökumenischen Einrichtung bekommen sie nicht nur Essen, Duschmöglichkeiten und neue Kleidung. Es gibt auch einen Briefkasten, eine soziale Beratung und Gottesdienste.

Die Mitarbeitenden müssen nun mehr leisten 

In der Wärmestube gibt es jetzt durchgängig warmes Essen wie Suppen oder Eintöpfe. Für Manuela Bauer und ihr haupt- und ehrenamtliches Team ist das ein großer Mehraufwand, der nur zu stemmen ist, weil insgesamt weniger Menschen gleichzeitig kommen. Statt Selbstbedienung werden den rund 20 Männern der ersten Frühstücksrunde abgedeckte Teller an den Platz gebracht, dort darf auch die Maske abgenommen werden. Die Menschen sitzen an Einzeltischen, jeder ist eher für sich, nur vereinzelt entstehen Gespräche.

"Das Menschliche, sich einfach mal zusammensetzen und reden zu können, das geht schon sehr verloren," sagt Bauer.

Nach einer halben Stunde wird gelüftet. Manche gehen zum Rauchen in den Garten, andere verlassen die Wärmestube um Platz zu machen für die nächsten, die auf ihr Frühstück warten. "Es gibt tendenziell schon ein Solidaritätsgefühl", beschreibt es Bauer. Wenige finden Platz in der Köhnstraße, aber niemand bleibt den ganzen Tag dort. Es herrscht ein Kommen und Gehen, rund 100 verschiedene Personen kommen pro Tag. Bisher gab es hier noch keinen einzigen Corona-Fall. Dennoch ist das Risiko einer Ansteckung für obdachlose Menschen groß, wenn sie sich ein Nachtlager teilen oder draußen nicht auf die Abstände achten. "Aber sie haben keine Alternative. Sie haben kein Zuhause, in das sie sich zurückziehen und mit Freunden und Familie digital Kontakt halten können." Social Distancing hieße für Wohnungslose: gar keine Sozialkontakte mehr.

Weihnachtsfeiern sind schwer umsetzbar 

An Weihnachten wird es in Nürnberg dieses Jahr keine großen Weihnachtsfeiern für Bedürftige geben, "denn das war oft privat organisiert und private Veranstalter können das mit den Auflagen nicht mehr leisten. Wir versuchen zu kompensieren, was an anderen Stellen wegfällt", sagt Bauer. An den Weihnachtsfeiertagen bleibt die Wärmestube geöffnet, am 24. Dezember soll den Menschen bei einem Weihnachtsbrunch eine schöne Zeit ermöglicht werden. "Sie brauchen und suchen einen Ort zum Aufwärmen noch mehr als die reine Verpflegung." Wie es im neuen Jahr weitergeht und welche Beschränkungen noch auf die Wärmestube zukommen könnten, dafür hat Manuela Bauer im Moment keinen Kopf.

"Wir denken hauptsächlich daran, über diesen Winter zu kommen."