Über 500 Anrufe sind innerhalb von zwei Tagen bei der Ukraine-Hotline eingegangen, die die Diakonie München und Oberbayern seit Montag im Auftrag der Stadt betreibt. Ilze Litenboka, Migrationsberaterin mit ukrainischen Wurzeln, nennt die wichtigsten Themen der Geflüchteten: "Viele fragen, wann sie einen Deutschkurs machen können, ab wann die Kinder zur Schule gehen, ob sie schon eine Arbeit aufnehmen dürfen und wie es mit der Unterkunft weitergeht", berichtete sie bei einer Pressekonferenz der Diakonie am Mittwoch. Das Problem: Auf die meisten dieser Fragen können Litenboka und ihre Kolleginnen noch gar keine genaue Antwort geben.

Fragen der Ukrainer*innen können noch nicht beantwortet werden

Gerade beim Thema Unterbringung sei der Druck riesig, aber die Beteiligten "noch ein bisschen ohnmächtig", sagte Andrea Betz, sozialpolitische Vorständin der Diakonie. Stadt und Regierung von Oberbayern seien dabei, die Unterkunftsstrukturen von 2015 wieder auszubauen, Gebäude zu prüfen und Hotels anzumieten. Bis dahin seien die privaten Unterkünfte, die von der Zivilgesellschaft, aber auch von Unternehmen angeboten würden, "Gold wert".

Zugleich habe man Sorge, dass die Notlage der ukrainischen Frauen ausgenutzt werden könnte. Situationen wie in Berlin, wo Männer den Geflüchteten am Bahnhof Schlafgelegenheiten und Jobs angeboten hätten, habe man in München zwar noch nicht wahrgenommen. "Dennoch müssen wir da sensibel und aufmerksam sein", betonte Betz. Gerade die Privatunterkünfte könne man in der Kürze der Zeit nicht eingehend überprüfen. Sie begrüßte die Idee der Fachberatungsstelle "Jadwiga" für Opfer von Menschenhandel, einen dreisprachigen Flyer zu verbreiten, der auf Gefahren hinweist und Verhaltenstipps gibt.

Offene Fragen müssen schnellstmöglich geklärt werden

Außerdem zeichne sich schon jetzt ab, dass die Nachfrage nach Beratung, Sprachkursen und medizinischer Versorgung in den kommenden Monaten stark ansteigen werde. Deshalb forderte Betz den sofortigen Ausbau von Integrationskursen, Migrationsberatung und psychotherapeutischen Angeboten. "Die Menschen brauchen sofort Hilfe, aber unsere Stellen sind komplett ausgelastet", sagte die Vorständin. Der Freistaat müsse den Personalschlüssel in der Migrationsberatung anheben und eine hundertprozentige Finanzierung der Personal- und Sachkosten garantieren. "Die Träger können auf Dauer nicht mehr 20 Prozent der Kosten stemmen", so Betz.

Neben der Akuthilfe müsse man außerdem bereits jetzt langfristige Themen wie Bildung und Arbeit in den Blick nehmen. "Da kommt gesellschaftlich eine ganz große Integrationsaufgabe auf uns zu", sagte Betz. Bislang gebe es zum Beispiel noch keine Auskunft darüber, ab wann geflüchtete Kinder Kitas und Schulen in München besuchen könnten. Man rechne in den kommenden Monaten auch mit mehr unbegleiteten Minderjährigen. "Manche kommen auch mit ihren Großmüttern - dann müssen wir schauen, wer langfristig Sorge tragen kann für die Kinder", sagte Betz. Der Schock darüber, von heute auf morgen die Verbindung zu beiden Eltern oder zum Vater zu verlieren, werde ein wichtiges Thema in der Beratung sein.

Ehrenamtliche Helfer werden gebraucht

Gerade im Bildungsbereich würden künftig Ehrenamtliche gebraucht, sagte Sabine Bankauf von der Freiwilligenagentur "z'amm", die zur Diakonie gehört. "Der Bedarf an Lernpaten oder Behördenbegleiter wird steigen", prognostizierte sie. Bislang hätten sich bereits rund 13.000 Menschen als Helfer bei den "Münchner Freiwilligen" registriert.

Diakonie-Vorständin Betz mahnt zudem einen achtsamen Umgang mit allen Beteiligten an. "Anders als 2015 steckt uns die Coronapandemie noch in den Knochen, die Kräfte vieler Menschen sind erschöpft", sagte sie. Gute Koordination der Hilfe sei jetzt nötig, "denn wir müssen noch ganz lange durchhalten". Eines war der Migrationsexpertin besonders wichtig: "Unsere Angebote gelten für alle Geflüchteten." Man dürfe trotz der verzweifelten Lage in der Ukraine jetzt nicht Gruppen von Geflüchteten gegeneinander setzen. "Denn das schafft sozialen Unfrieden", so Betz.