Mit einem Festakt im Beisein von Altbundespräsident Christian Wulff ist am Dienstag in Osnabrück das Islamkolleg Deutschland eröffnet worden.
Alle Redner betonten die Bedeutung der bundesweit einzigartigen Ausbildungsstätte für Imame und religiöses Betreuungspersonal für die gesamtgesellschaftliche Anerkennung des Islams in Deutschland.
Mit dem Kolleg startet eine wissenschaftlich fundierte, herkunftsübergreifende Ausbildung
"Das Ausbildungsprogramm des Islamkollegs ist selbstbewusst deutsch und islamisch im Sinne eines Islam, der in unserer Gesellschaft verwurzelt ist, die Werte unseres Grundgesetzes teilt und die Lebensarten unseres Landes achtet", sagte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Kerber.
Die Eröffnung sei ein historischer Tag. Damit beginne etwas, "auf das die deutsche Gesellschaft und vielleicht sogar ein großer Teil der islamischen Welt in Europa lange gewartet hat, nämlich eine wissenschaftlich fundierte verbands- und herkunftsübergreifende deutschsprachige Ausbildung von islamischem religiösem Personal".
Religiöse Inhalte werden von den fünf beteiligten Islamverbänden bestimmt
Er wünsche sich, dass das Kolleg in die gesamte islamische Welt ausstrahle, sagte Kerber. Er betonte, dass der Bund und das Land Niedersachsen mit der finanziellen Unterstützung in Höhe von insgesamt 5,5 Millionen Euro für die kommenden fünf Jahre lediglich den organisatorischen Rahmen sicherstelle. Die religiösen Inhalte würden allein von den beteiligten fünf Islamverbänden bestimmt.
Wulff bezeichnete das Islamkolleg als "eine großartige Sache". Es sei "ein wichtiger und notwendiger Baustein in dem Gesamtkonzept der vollen Gleichberechtigung der Muslime in unserem Land". Es werde von den Muslimen auch genau so verstanden.
Wissenschaftsminister Thümler: Religiöse Vielfalt ermöglichen
Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) zeigte sich erfreut, "dass wir jetzt endlich mutige Schritte gehen, um die religiöse Vielfalt auf der Grundlage unserer Verfassung zu ermöglichen".
Mit Blick auf die nicht unumstrittenen Finanzhilfen unterstrich er, der Staat dürfe "seine helfende Hand" diesem Projekt nicht entziehen. Damit sei das Anerkenntnis des Staates verbunden, dass "eure Religionsausübung für uns einen echten Mehrwert darstellt".
Der wissenschaftliche Direktor des Kollegs, Bülent Ucar, äußerte sich zuversichtlich, dass die wissenschaftliche Anbindung an die Universität, die strukturelle Unabhängigkeit und die professionelle Vernetzung des Kollegs "einen bedeutsamen Innovationsschub für hiesige muslimische Gemeinden bewirken" könnten.
Nationale Herkunft der Imame und Moscheegemeinden soll keine große Rolle spielen
Das Kolleg achte die vielfältigen muslimischen Strömungen. Er hoffe, dass die Akzeptanz in den Gemeinden auf Dauer wachsen werde, so dass langfristig die nationale Herkunft der Imame und Moscheegemeinden keine so große Rolle mehr spielen werde. "Der Islam wird sich in Deutschland so entwickeln, dass wir von deutschen Muslimen sprechen, die unterschiedlich geprägt sind."
Ucar betonte, dass mit Überzeugung auch Frauen ausgebildet würden, auch wenn nicht ausdrücklich von Imaminnen gesprochen werde. Darüber, in welchen Bereichen die Absolventinnen später eingesetzt würden, müssten die jeweiligen Moscheegemeinden entscheiden.
Kollegiaten durchlaufen eine zweijährige praktisch-theologische Ausbildung
Das Kolleg wird von mehreren kleinen Islamverbänden getragen, unter anderem dem Zentralrat der Muslime.
Die zweijährige praktisch-theologische Ausbildung umfasst sieben Module: Predigtlehre, Koran-Rezitation, Seelsorge, Politische Bildung, gottesdienstliche Praktiken, Gemeindepädagogik und soziale Arbeit.
Der erste Ausbildungsjahrgang besteht den Angaben zufolge aus 55 Kollegiaten, unter ihnen 19 Frauen und 36 Männer. 18 von ihnen nehmen an der grundständigen praktischen Ausbildung für Imame und religiöses Betreuungspersonal teil und 17 an einzelnen Modulen. Etwa 20 haben sich für die in einigen Monaten beginnende grundständige Islamischen Seelsorgeausbildung entschieden.