Geschlossene Welten machen neugierig, selten sind Einblicke gestattet. Die JVA ist so eine Welt. Für die meisten Menschen ist sie nicht zugänglich. "Gleichzeitig ist das Interesse, wie es hinter Gittern zugeht, groß", sagt Thomas Beißner. Dem Sozialpädagogen und freischaffenden Fotografen ist es gelungen, Eindrücke aus der Justizvollzugsanstalt Landshut einzufangen. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Schuldnerberater bei der Diakonie hat er umfassende Einblicke in den Alltag von Häftlingen und jugendlichen Arrestanten erlangt. Seine Fotos zeichnen exemplarisch ihre Lebenssituation nach.
Das Bild der Öffentlichkeit bei der Beurteilung der Gefangenen schwankt in der Regel von Mitleid bis Furcht. Aus Beißners Bildern sprechen die Bedrängnis des Eingeschlossenseins und die Gleichförmigkeit des Gefängnisalltags. Vor allem die existenzielle Erfahrung der Einsamkeit wird deutlich. Indem Beißner die Architektur des Bauwerks in Wechselwirkung zu den Menschen stellt, die darin leben und arbeiten müssen, gelingt ihm eine eindrucksvolle Nähe zu den Strafgefangenen. "Meine Intention war es, hier ein offenes Bild vom Alltag in der JVA zu zeigen und dabei auf jegliche moralische Wertung von Täter und Tat zu verzichten."
Verzicht auf Wertung
Die Fotos der Ausstellung werden ergänzt durch Zitate und Interviews mit Langzeithäftlingen, mit denen die Autorin Rita Neumaier gesprochen hat. Aus ihnen wird erkennbar, wie schwer es ist, sich einem Leben mit eingeschränkter Selbstbestimmung zu unterwerfen, welche Strategien die Häftlinge entwickeln, um mit dem Gefängnisleben zurechtzukommen. Vor allem aber, wie groß das Bedürfnis nach Rückkehr in ein geordnetes und bürgerliches Leben sein kann.
In den Gesprächen kommt zum Ausdruck, wie die Häftlinge existenzielle Fragen hin- und herwälzen, die wiederum Nähe zum Ausstellungsbesucher herstellen können: Wie konnte es so weit kommen? Was sind Schwächen, was Stärken? Welche Träume begleiten den Arrestierten? Wie soll es danach weitergehen?
Geschlossene Welt aufbrechen
Die Diakonie Landshut unterstützt mit der seit fünf Jahren bestehenden Gefährdetenhilfe die Bemühungen um eine erfolgreiche Resozialisierung der Häftlinge: In angemieteten Wohnungen finden die Haftentlassenen eine erste neue Bleibe. Oftmals werden darüber hinaus weitere Hilfestellungen gegeben, "wie die Beratung zur persönlichen Entschuldung im Vorfeld einer Entlassung, um die Rahmenbedingungen für eine soziale Integration zu optimieren", erklärte Holger Peters, Geschäftsführer der Diakonie.
"Vollzug, wie wir ihn verstehen, bedeutet nicht nur, die Menschen zu inhaftieren, sondern diese geschlossene Welt dort, wo es sinnvoll ist, nach außen zu durchbrechen und so den straffällig gewordenen Menschen bereits bei Beginn der Inhaftierung Wege in eine bessere und straffreie Zukunft zu zeigen und sie dabei zu unterstützen", schreibt Anstaltsleiter Andreas Stoiber im Ausstellungskatalog. Dabei sollen auch Berührungsängste mit dem Thema Justizvollzug abgebaut werden. Denn eine Stigmatisierung der Gefangenen durch die Haft sei "eine Hemmschwelle für eine gelungene Resozialisierung", erklärt Stoiber.
Ein Leben auf Zeit
Der Aufenthalt in der JVA ist bis auf wenige Ausnahmen ein Leben auf Zeit. Sehnlich wird der Tag erwartet, der Tag an dem die Strafe abgesessen oder abgebüßt ist und die Entlassung ansteht. Doch leider werde es im Anschluss oft schwierig, sagte der evangelische Dekan Siegfried Stelzner. "Die äußeren Mauern sind verschwunden, doch die Mauern in den Köpfen der Mitmenschen, die bleiben. Wer in einer Haftanstalt war, ist leider stigmatisiert." Schwer sei es, wieder als gleichwertiges Mitglied in der Gesellschaft aufgenommen zu werden. Stelzner wünscht sich, "dass Menschen nach einer Zeit der Strafe wieder eine Chance gegeben wird".
Einer der Häftlinge, dessen Lebensgeschichte erzählt wird, sagte: "Es gibt Menschen, die brauchen nicht nur eine zweite Chancen, sondern eine dritte und eine vierte."