"Er hat alle seine Bayern geliebt, auch die jüdischen und die protestantischen", sagt Historiker Peresson über den Monarchen. Der habe sich auch schon mal in einer Dorfkirche beim Gottesdienst heimlich unters Volk gemischt habe, um zusammen mit den einfachen Bauern und Arbeitern zu beten und zu singen.
Qua Amt war der Katholik Ludwig II. sogar "Summus Episcopus", oberster Bischof der Evangelischen Kirchen (Lutheraner und Reformierte). Den jungen Ludwig muss auch ein Fresko von Wilhelm Lindenschmit dem Älteren im sogenannten "Schwangauzimmer" auf Hohenschwangau beeindruckt haben. Das Bild zeigt Martin Luther auf der Flucht, nachdem er auf dem Reichstag zu Augsburg seine Thesen nicht widerrufen hatte. Christoph Langenmantel, der Sohn des damaligen Augsburger Bürgermeisters Georg Langenmantel, führt ihn auf der Darstellung in der Nacht vom 19. zum 20. Oktober 1518 durch eine geheime Pforte in der Stadtmauer.
Blick in den Thronsaal Neuschwansteins
Das Herzstück Neuschwansteins ist der Thronsaal, in dem zu Nicht-Corona-Zeiten die rund 1,4 Millionen Menschen, die jährlich durch das Schloss geführt werden, kurz Halt machen können während der rund halbstündigen Führung. Die Münchener Allerheiligen-Hofkirche soll für die Gestaltung Pate gestanden haben. Allein der Kronleuchter, der vom mit Sternen verzierten Kuppelgewölbe der Decke herabhängt, wiegt über eine Tonne, erfährt man bei den Führungen.
An den Wänden sind Engel, Apostel und Heilige dargestellt, den Boden ziert ein Mosaik mit Pflanzen- und Tiergestalten. Über diesem Weiheraum des Herrschertums schwebt Christus. Ludwig II. hat das Bildprogramm des Saals selbst entworfen, der an die Gralsburg des Parsifal-Epos erinnern soll. Hier kann man einen virtuellen 360-Grad-Blick hineinwerfen. Einen Thron findet man hier übrigens nicht.
Verwandter Graf: "Lebenslang fasziniert vom König"
Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen, Spross des fränkischen Adelsgeschlechts, hat sich als Herausgeber des Buchs "Ludwig II. Auf den Spuren des Märchenkönigs" auch auf die Spuren seiner eigenen Familiengeschichte begeben. "Er hat mich mein ganzes Leben lang schon fasziniert", erklärt er. Um der Verbindung der Familien-Linie Castell-Castell zum königlichen Hof in München nachzugehen, half ihm Jesko Graf zu Dohna, der in Castell das Fürstliche Archiv leitet.
Er ist auch Verfasser eines Kapitels über das Kreuzen der Wege der Casteller und der Wittelsbacher kurz nach der Thronbesteigung König Ludwigs im Jahr 1864. In diesen Jahren stand nämlich ein Abkömmling der protestantischen fränkischen Adelsfamilie in königlich bayerischen Hofdiensten: Gustav Graf zu Castell-Castell (1829 bis 1910) war 43 Jahre von insgesamt 60 Jahren Obersthofmeister und damit der oberste Beamte am Münchner Hof. "Onkel Gustl" wird Graf Gustav heute noch in der Familie Castell genannt.