Sandiger Boden, uralte Mauern und Bäume, historische Grabsteine rund um eine Kirche, deren Ursprünge auf das frühe 14. Jahrhundert zurückgehen. Im Friedhof von St. Jobst scheint ein bisschen die Zeit stehen geblieben zu sein. Das Hupen der Autos und das Rollen der Straßenbahn oder das Quietschen der Bremsen von den Zügen im Ostbahnhof vergisst schnell, wer in diese Oase der Vielfalt mitten in der Großstadt eintaucht.

"Wir treten hier im wahrsten Sinne des Wortes in Albrecht Dürers Fußstapfen. Zu seiner Zeit waren die Wege und Straßen in Nürnberg überall aus Sand", kommt Pfarrerin Silvia Jühne ins Schwärmen.

Biologen kamen mit Idee

Als zu Jahresbeginn die Biologen Barbara Füchtbauer und Markus Schmidt von "Schöpfung bewahren konkret" mit dem Vorschlag kamen, im Zuge des Projekts "Friedhöfe - Oasen für Pflanzen und Tiere" neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere zu schaffen, rannten sie offene Türen ein.

"Meine Aufgabe war es, Stationen wie die Käferwiege, Insektenhotel oder Sanddüne zu planen und den Aufbau zu begleiten. Das war toll, vor allem, weil so viele aus der Gemeinde mitgemacht haben", meint Füchtbauer.

Gerne erinnert sie sich an die Nachmittage mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden, die für die beiden Insektenhotels Löcher gebohrt und Röhrchen ausgeputzt haben. "Und das mit einer Hingabe und Disziplin, wie ich kaum erwartet hätte."

Sägespäne und Eidechsen

19 Stationen sind entstanden. An jeder gibt es eine Info-Stele mit einem Schild, auf dem ein erklärender Text, ein weiter führender QR-Code sowie ein passender Impuls aus der Bibel zu finden sind. So heißt es beispielsweise bei der "Totholz"-Station "Das geknickte Rohr wird Gott nicht zerbrechen" aus dem biblischen Buch Jesaja. Die Stele steckt in einer einfach wieder zu entfernenden Bodenhülse neben einem wuchtigen Baumstumpf und einer kleinen Grube mit abgestorbenem Holz, Blättern und Sägespänen. Neulich hat Barbara Füchtbauer sogar schon eine kleine Eidechse herauskrabbeln gesehen.

Unweit davon wuchert wilder Wein um eine Mauer. Hier hatten die Biologen im Sand die charakteristischen Trichter des Ameisenlöwen gefunden - einem Netzflügler, der auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Insekten steht. "Eine kleine Sensation", freut sich Füchtbauer. Auch den Flechten und Moosen auf den Steinen sollte man Beachtung schenken: Hier leben winzig kleine Bärtierchen und Springschwänze.

"Und die Flechten schützen das Gestein sogar vor Erosion, statt es zu zerstören."

Doch auch die Flora hat einiges zu bieten: Da sprießen in unbeachteten Ecken die kleine Platterbsen-Wicke und der Portulak. Als Nahrungsangebot für die Insekten wachsen auf etlichen aufgelassenen Gräbern heimische Blühpflanzen. Ein solches Grab gleicht einem Kräutergarten in Miniaturform. "Wir beraten auch Grabbesitzer, mit welchen Pflanzen sie ihre Gräber schöner gestalten und gleichzeitig etwas für die Insekten tun können", erklärt die Biologin.

Nicht nur ökologisch sinnvoll

Für Pfarrerin Jühne ist die Anlage des Oasenfriedhofs nicht nur eine ökologisch sinnvolle Aktion. "Der Friedhof wird von vielen Menschen in ihrer Freizeit besucht. Es findet nicht nur Gedenken statt", sagt sie. Zudem wolle man sich mit dem Friedhof am Deutschen Kirchentag in Nürnberg im Juni kommenden Jahres präsentieren. Nicht zuletzt sei die deutsche Friedhofskultur seit 2020 Teil des Weltkulturerbes.