Augsburg (epd). Die Sozialforscherin Jutta Allmendinger sieht die Lage der deutschen Mütter und Frauen vor dem diesjährigen Muttertag deutlich schlechter als vor dem Beginn der Corona-Pandemie. "Im Gegensatz zu Vätern hat bei Müttern der Stress kaum nachgelassen, die Zufriedenheit ist weiterhin auf niedrigem Niveau", sagte die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag).

"Um die Gleichstellung der Frauen steht es eindeutig schlechter als vor der Pandemie", sagte die Professorin. "In 20 bis 30 Jahren trifft uns der Bumerang, den wir heute losgeschickt haben: Die Retraditionalisierung wird zu stagnierenden Karriereverläufen und vergleichsweise niedrigen Renten für Frauen führen", warnte Allmendinger.

Derzeit sei bei sinkenden Inzidenzen und aufgehobenen Einschränkungen die Überlastung vieler Mütter nicht mehr so präsent in der Gesellschaft. "Mütter fühlen sich nach wie vor sehr gestresst - viel, viel mehr als vor der Pandemie", sagte Allmendinger. "Sie sind dauernd auf dem Sprung, denn der nächste positive Test ist nicht weit und bedeutet, dass die Kinder aus Kita oder Schule nach Hause geschickt werden und sie sich selbst in Quarantäne begeben müssen." Dies gelte insbesondere, sobald eine neue Pandemiewelle drohe. Viele Mütter würden auch realisieren, dass sie nicht einfach die alten Karrieren aufnehmen können. "Müttern geht es, was den Arbeitsmarkt betrifft, nicht so, wie sie es gerne hätten und wofür sie jahrelang gearbeitet haben", kritisierte Allmendinger.

Diese Situation werde sich nur ändern, wenn sich jetzt die männlichen Lebensverläufe veränderten, "dann haben Männer wie Frauen Zeit für die Familie, für den Beruf, das Ehrenamt, aber auch für sich ganz persönlich", sagte die Sozialforscherin. "Wir müssen die Anzahl der Vätermonate erhöhen und die Väter ermuntern, längere Elternzeiten zu nehmen", forderte sie. "Und wir müssen das Ehegattensplittung und die Minijobs abschaffen", sagte die Wissenschaftlerin. Sie werte die Pläne der Regierung im Koalitionsvertrag für die Grundsicherung für Kinder und Erleichterungen beim Wiedereinstieg zwar positiv. "Die Frage ist nur: Werden die Pläne auch umgesetzt?"