Ob die Hirten bei Jesu Geburt auf Bierkästen der örtlichen Brauerei saßen, darf bezweifelt werden. Aber dass sie ein Feuer hatten und vielleicht auch ein Zelt, scheint plausibel. Insofern passt es schon, wenn die evangelische Kirchengemeinde in Brannenburg (Landkreis Rosenheim) damit wirbt, dass die Menschen bei ihnen Weihnachten feiern können "wie die Hirten" - nur eben zusätzlich mit Bierkästen. Denn die dienen in der eigenen Jurte, also dem großen Rundzelt mit abnehmbaren Wänden und einer Feuerstelle in der Mitte, als mobile, modulare Bestuhlung.

Kurz nach dem Corona-Lockdown im letzten Frühjahr begann die Gemeinde, Elemente aus ihrer "Kirche im Freien" zu einem Gesamtkonzept mit Modulen für alle Generationen zu verbinden. Corona sei zwar der Anstoß für das gesamte Konzept gewesen, aber nicht der Grund. "Es geht letztlich nicht um ein Coronakonzept, sondern um ein Dauerkonzept", sagt Pfarrer Michael Krauß. Ziel war, wetterfeste Angebote formen zu können, um Kirche in die Öffentlichkeit zu tragen. So ist die Gemeinde mit ihrem Rundzelt unterwegs zu denen, die nicht mehr aktiv die Nähe zum Kirchengebäude suchen.

Mobile Gottesdienste haben viele Vorteile 

Kindergottesdienste werden mit dem Zelt etwa draußen mitten in einem Wohngebiet gefeiert, sagt Krauß. Das sei auch flexibler als der Kirchenraum mit seiner starren Bestuhlung, die Bewegung, kreative Elemente oder kreisförmiges Sitzen behindert. Plötzlich begegneten Menschen Kirche an Orten, an denen sie sie nicht erwarten. Dank der flexiblen Raumhöhe der Jurte lassen sich verschiedene Stimmungen schaffen. Möglich seien so Gottesdienste mit Zaubertricks oder Zirkuselementen, bei denen alle in der ersten Reihe sitzen können. Bei Kreativprojekten könne sich ausgetobt werden, weil in der Jurte keine Böden mit Farbe ruiniert werden. Und Außenstehende können bei geöffneten Wänden zusehen.

Coronabedingt darf die Gemeinde die Jurtenwände aktuell jedoch nicht schließen - das verhindere viele Angebote, die gerade von der heimeligen Enge leben oder Dunkelheit brauchen wie Bilderbuchkino und andere Aktionen mit Beamer. "De facto hat uns da Corona auch sehr eingeschränkt", bedauert Krauß. So durfte jüngst auch der Adventsbasar in der Jurte nicht stattfinden, aktuell herrschen in der Region hohe Inzidenz-Werte. Entsprechend will der Pfarrer noch nicht final einschätzen, wie Jurte, Freiluftgottesdienste und Co. auf Dauer ankommen. "Vieles scheint uns noch coronabedingt", sagt er. Sicher sei aber, dass Gottesdienste und Veranstaltungen im Freien oder in der Jurte eine viel freiere Atmosphäre mit sich brächten..

Der Radius der Kirche wird größer 

Hilfreich ist das Rundzelt der Gemeinde bei einem weiteren Problem: Die Protestanten sind auf zum Teil weit auseinanderliegende Einzeldörfer verteilt, Kirchengebäude stehen nur in Raubling und Brannenburg. Gemeindefeste, Ferienprogramme und Gottesdienste können dank Jurte nun auch dort stattfinden, wo es keine "baulich Basis" gibt. Im Rahmen des kirchlichen Reformprozesses "PuK", bei dem das Dekanat Rosenheim seine Gemeinden in Regionen einteilt, wird Brannenburg außerdem Teil der "Region Inntal". "Das wird den Radius unserer mobilen Kirchen auf das gesamte Inntal von Raubling bis Kiefersfelden vergrößern", sagt Krauß. Am liebsten möchte sich die Gemeinde nun einen Bauwagen zulegen, um ihr Material besser lagern und transportieren zu können.

Denn bei der "mobilen Kirche" gehe es nicht hauptsächlich um einen mobilen Kirchenraum, sagt Krauß: Gemeint sei eher eine flexible, wendige und damit mobile Kirchenarbeit. "Die Jurte ist da nur ein Baustein, um Aktionen wo nötig wetterfest zu machen", erklärt er. Ihre Drehorgel nutzt die Gemeinde bei Gottesdiensten und Festen und bei "Konzertandächtchen" in oder vor Altenheimen. Gerade soll die Orgel so weiterentwickelt werden, dass sie möglichst alle Lieder aus dem Gesangbuch und diverse "nichtkirchliche Songs mit geistlichem Potenzial" parat hat, sagt Krauß. Mit Stabpuppentheater, Zirkuselementen und theologischen Zaubertricks geht es in die Schule oder zu Kindergottesdiensten.

Der Hirtengottesdienst an Weihnachten ist ein Highlight 

Weiteres Highlight der Gemeinde ist der mobile Bogenschießstand. Unter dem Motto "Mit dem Bogen durch die Bibel" werden die Geschichten der Schöpfung, der Sintflut oder von David und Jonathan erzählt und mit einer Übung im Bogenschießen kombiniert. Auch spirituelle Themen wie das Beten seien anhand des aktiven Bogenschießens leicht zu vermitteln. Die Jurte als trockener Ort, in der man im Kreis sitzen und aus der heraus man in den offenen Himmel hineinschießen könne, sei da ideal.

Geschossen wird bei der Hirtenweihnacht in der Jurte nicht. Dafür soll es Feuer, Orff-Instrumente für alle, Drehorgel und Mitmachkrippenspiel geben. Vorausgesetzt, die Pandemie lässt es zu. Krauß: "Was letztlich coronabedingt möglich ist, müssen wir sehen."