Vor 25 Jahren wurde an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) der erste Lehrstuhl für jüdische Geschichte und Kultur an einer deutschen Hochschule eingerichtet. Das Besondere daran ist, sagt Historiker Michael Brenner, der den Lehrstuhl seither innehat, dass dieser in das Historische Seminar der LMU integriert wurde - also als Teilbereich eines großen Ganzen den Fokus auf jüdische Aspekte legt.

Am 15. Juni dieses Jahres wird die Errichtung des Lehrstuhls vor einem Vierteljahrhundert mit einem Festakt in der Großen Aula der Universität gefeiert.

Herr Brenner, was war die Einrichtung eines ersten eigenen Lehrstuhls für Jüdische Geschichte und Kultur an einer deutschen Universität vor 25 Jahren für ein Signal?

Brenner: In den 1990-er Jahren hat man hierzulande begonnen, sich mehr mit jüdischer Geschichte und Kultur zu beschäftigen. In diese Zeit fallen etwa auch die ersten Eröffnungen größerer jüdischer Museen. Das war die zweite große Welle, in der man sich in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Judentum auseinandergesetzt hat: Diesmal wurde der Blick nicht nur auf NS-Herrschaft und Holocaust beschränkt, sondern man hat sich damit befasst, welch reichhaltige jüdische Geschichte und Kultur es vor 1933 in Deutschland gab. Dass man jüdische Geschichte und Kultur mit dem Lehrstuhl auch auf wissenschaftlicher Ebene platziert hat, war nur folgerichtig.

Ein weißhaariger weißer Mann im blauen Sakko steht vor einem Gebäude
Michael Brenner , Inhaber des Lehrstuhls für jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

"Wichtig war von Anfang an auch, dass man bei uns sowohl Hebräisch als auch Jiddisch lernen kann."

Ihr Lehrstuhl war ein Vorreiter - mit dem Fachbereich Jüdische Geschichte und Kultur ist er aber nach wie vor einmalig in Deutschland. Haben sich keine "Nachahmer" gefunden?

Brenner: So kann man das nicht sagen. Es gibt ähnliche Einrichtungen - vorwiegend in den neuen Bundesländern, etwa in Leipzig und Potsdam. Und es gab lange vorher bereits Institute für Judaistik, die allerdings für sich standen und nicht in andere Fachbereiche integriert wurden wie der Lehrstuhl in München. Der Lehrstuhl hat sich inzwischen stark weiterentwickelt. Neben meinem Spezialgebiet der Neuzeit haben wir inzwischen auch eine Professur für mittelalterliche jüdische Geschichte erhalten - und ein Zentrum für Israelstudien mit wechselnden, prominenten Gastprofessuren. Wichtig war von Anfang an auch, dass man bei uns sowohl Hebräisch als auch Jiddisch lernen kann.

"Wir sind in München ein Teil des kulturellen Lebens in der Stadt geworden."

Welche Ausrichtung verfolgen Sie an Ihrem Lehrstuhl? Geht es vor allem um Forschung - oder doch mehr um Wissensvermittlung und Lehrerausbildung?

Brenner: Ich würde sagen, wir haben drei Säulen. Kernaufgabe ist die Wissensvermittlung vor allem an Studierende, auch Lehramtsstudierende. Das zweite ist die außeruniversitäre, regionale Ebene. Wir sind in München ein Teil des kulturellen Lebens in der Stadt geworden - in Verbindung mit der Kultusgemeinde und anderen jüdischen Kulturträgern. Drittens: Die weltweite Vernetzung mit den großen Zentren jüdischer Studien, die in Israel und Nordamerika liegen. Diese Ebene bedienen wir mit mehreren internationalen Tagungen pro Jahr, die wir in München ausrichten. Das Ziel für die nächsten Jahre muss sein, diese Vernetzung und dieses Niveau zu halten.