In diesen Tagen ist in Tschechien eine Gedenkbanknote in limitierter Auflage erschienen: Von ihr blickt ein gütig lächelnder Mann mit Schnauzbart, hinter ihm der Balkon des Präsidentensitzes der Prager Burg. Daneben steht die Unterschrift des Porträtierten: Václav Havel und ein rotes Herzchen. So signierte er Goldene Bücher überall in Europa. Vor zehn Jahren, am 18. Dezember 2011, starb der Schriftsteller, Dissident und einstige Präsident Tschechiens im Alter von 75 Jahren.

Ein schüchterner, etwas linkisch wirkender Mann sei er gewesen, sagt der emeritierte Professor für slavische Philologie, Walter Koschmal, der Havel im Jahr 2000 an der Regensburger Universität erlebt hat. Rund 1.000 Studierende hätten damals bei einem Vortrag an den Lippen des Präsidenten gehangen: "Er war tatsächlich eine charismatische Figur."

Václav Havel war im Theaterwesen tätig 

Schüchtern und der Überzeugung, nicht dazuzugehören, so war Václav Havel wohl schon in seiner Kindheit und Jugend, wie sein Biograf Michael Zantovsky es schildert. Am 5. Oktober 1936 wurde Havel als erster Sohn einer reichen Unternehmerfamilie geboren. Sein Großvater hatte den berühmten Lucerna-Vergnügungskomplex am Prager Wenzelsplatz bauen lassen, sein Onkel die Prager Filmstudios. Ab 1947 besuchte Václav ein Knabeninternat, in dem er sich mit dem späteren Regisseur Milos Forman ("Einer flog über das Kuckucksnest") anfreundete.

Nach der Machtübernahme der Kommunisten in der Tschechoslowakei 1948 verlieren die Havels ihr Vermögen. Als "bourgeoisem Element" wird Václav ein höherer Schulabschluss verwehrt. Er macht ihn später an einer Abendschule nach, beginnt ein Ökonomiestudium und bricht es wieder ab. Nach der Militärzeit taucht er in die Theaterwelt ein, erst als Bühnenarbeiter, dann als Dramen-Autor.

"Gartenfest" wird Václavs erster großer Theatererfolg 

1963 erscheint sein überaus erfolgreiches Stück "Das Gartenfest", in dem eines seiner Hauptthemen deutlich wird, wie Koschmal sagt: "Die Sinnsuche und der Widerstand des Individuums gegen kollektive Unterdrückung." Die literarische Qualität der Werke Havels stehe außer Zweifel.

Bereits um das Jahr 1963 bahnt sich an, was dann zum "Prager Frühling" wurde. Schriftsteller, die zuvor verboten waren, dürfen wieder veröffentlicht werden. Über Franz Kafka, der zunächst verpönt war, darf wieder öffentlich diskutiert werden. Ein Reformprozess kommt in Gang.

Václav initiiert die Charta 77

Václav Havel, dem Zantovsky bescheinigt, "eine geborene Führungspersönlichkeit" gewesen zu sein, wird erster Vorsitzender des neuen "Kreises unabhängiger Schriftsteller". Er habe sich zum prominentesten und konsequentesten Wortführer der nichtkommunistischen Intellektuellen im Prager Frühling 1968 entwickelt, urteilt der Biograf, ein früherer tschechischer Diplomat und Übersetzer.

"Normalisierung" nennt die Partei dann die brutale Niederschlagung des Prager Frühlings 1968. Doch der politische Mensch Václav Havel sieht weiter seine Verantwortung im Kampf um Menschenrechte. Er ist einer der Initiatoren der "Charta 77", die die Einhaltung von Bürger- und Menschenrechten in der Tschechoslowakei fordert.

Havel muss 5 Jahre in Haft 

Der Bürgerrechtler wird verurteilt und muss wegen "Verschwörung zur Untergrabung" für fast fünf Jahre hinter Gitter. In dieser Zeit entstehen seine "Briefe an Olga", an seine erste Frau Olga Splíchalová. Nach deren Tod heiratet Havel 1997 die beliebte Schauspielerin Dagmar Veskrnová.

Ab 1988 bekommt auch das kommunistische Regime der Tschechoslowakei allmählich Risse. Havel wird fast natürlich zu einem der Sprecher der Bewegung, die später "Samtene Revolution" genannt wird. Am 29. Dezember 1989 wählt ihn die Föderalversammlung zum Staatspräsidenten. Er führt die Tschechoslowakei zu den ersten freien Parlamentswahlen im Jahr 1990 und wird mit überwältigender Mehrheit als Präsident bestätigt.

Václav Havel erlangt schnell internationale Popularität 

In diesen ersten Jahren seiner Amtszeit erlangt er beinahe Pop-Status. Die Menschen bejubeln ihn, wenn er den Balkon der Prager Burg betritt, er erhält Preise, Auszeichnungen und Ehrendoktorwürden. Havel gilt auch im Ausland als moralische Autorität. Die Stadt Nürnberg beruft ihn 1995 in die Jury für ihren hochdotierten Internationalen Menschenrechtspreis.

1993, nach der Trennung von Tschechien und der Slowakei, wird der ehemalige Revolutionär Staatspräsident der Tschechischen Republik. Obwohl er schon Mitte und am Ende der 1990er Jahre oft schwer krank ist, tritt Havel für eine zweite Amtszeit an, die 2003 endet. Energisch setzt der überzeugte Europäer sich für den Nato-Beitritt (1999) und einen EU-Beitritt (2004) seines Landes ein.

Aus Worten werden Taten: Der Typus Havel fehlt der Politik heute

Havel verwebt seine Erinnerungen als Staatspräsident in dem Buch "Fassen Sie sich bitte kurz". Sein Theaterstück "Abgang" wird 2008 uraufgeführt und 2011 verfilmt. "Mir kommt von Zeit zu Zeit mein Schicksal absolut unwahrscheinlich vor. Wie konnte es nur geschehen, dass ich - und gerade ich - mich im Zentrum so wichtiger Ereignisse befand, die das Schicksal vieler Völker und Millionen von Menschen geprägt haben", schrieb Havel über seine Zeit.

Walter Koschmal urteilt: Bei Václav Havel "wurde das Wort zur Tat". Der Wahrheitsbegriff habe bei diesem immer im Mittelpunkt gestanden und er habe seine Verantwortungsethik gelebt. Was Havel tat, sei nicht aufgesetzt gewesen: "Ich vermisse diesen Typus in der gegenwärtigen Politik schon sehr."