Wie beliebt ist der Muttertag, der in Deutschland seit 100 Jahren gefeiert wird?

Désirée Waterstradt: Tatsächlich wissen wir nicht, wie beliebt der Muttertag wirklich ist und warum, denn der Wissenschaft scheint das Thema eher unangenehm zu sein. Menschen betreiben seit 1,8 Millionen Jahren kooperative Nachwuchsaufzucht, bei der Mütter durch "Zusatz-Mütter" entlastet werden - ob jung oder alt, verwandt oder nicht verwandt, weiblich oder männlich. Dadurch konnte erst die extrem lange, kostenintensive Entwicklungsphase bis zur Selbstständigkeit des menschlichen Nachwuchses entstehen.

Für unsere moderne Gesellschaft ist das ein Problem, das sie bislang in hohem Maße an die Mütter zurück delegiert. Es verpflichtet sie moralisch und erwartet von ihnen ganz selbstverständlich unbezahlte Leistungen, wodurch Kinder für Frauen zum größten Armutsrisiko werden.

"Der Muttertag "feiert" die stumme, leidensbereite Aufopferung der einzelnen Mutter, der Vatertag dagegen die gemeinsame pubertätsartig-alkoholisierte Flucht vor der Familie."

Ist der Tag noch zeitgemäß?

In seiner heutigen Form keinesfalls. Der Muttertag "feiert" die stumme, leidensbereite Aufopferung der einzelnen Mutter, der Vatertag dagegen die gemeinsame pubertätsartig-alkoholisierte Flucht vor der Familie. Im Zeitalter von wachsender Kindzentrierung und überfordernder Super-Mutterschaft sollte man sich dringend auf die Ursprünge besinnen und den Muttertag wieder zu einem "Mütterfreundschaftstag" für Austausch, Vernetzung und Bewusstseinsbildung von Müttern machen.

Man sollte den Mutter- wie den Vatertag nicht nutzen, um absurd sexistische Elternbilder zu verharmlosen und diese mit Basteleien, Blumen, Schokolade oder Alkohol zu feiern. Gerade pädagogische Institutionen wie Kitas oder Schulen müssen über ihre Elternbilder dringend kritisch nachdenken.

"Menschenmütter konnten ihren Nachwuchs noch nie allein aufziehen."

Sie plädieren stattdessen für einen Elterntag?

Elternschaft hat eine sehr lange Vergangenheit und erzählt von der Menschwerdung durch kooperative Nachwuchsaufzucht. Ein moderner Elterntag könnte genau dies feiern. Beispielsweise indem man jedes Jahr ein anderes ebenfalls kooperativ aufziehendes Tier wie etwa Elefanten, Ameisen oder Raben zum Symboltier macht und daran lernt, wie unterschiedlich dies sein kann - nicht nur bei Tieren, sondern auch bei uns Menschen.

Menschenmütter konnten ihren Nachwuchs noch nie allein aufziehen und wir Deutschsprechende sollten darüber nachdenken, warum wir dies heute mit einer so selbstverständlichen wie radikalen Mütterfeindlichkeit als "Fremdbetreuung", "weggeben", "abgeben" oder "Rabenmutter" sprachlich aburteilen.

Kommentare

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Hubert22 am Don, 11.05.2023 - 13:46 Link

Will hier maximal sachlich antworten.

Die scheinargumente (sie enthalten keine deduktive Logik daher Schein) kreisen um Kinder als last. Der Sinn und Glücks Gewinn der Mütter und Väter wird nicht mal angeschnitten.

Zum Glück drehte sich der Artikel nicht in ganze um das Thema WOKE.

Zum Glück sind es nicht Menschen wie diese "Wissenschaftlerin" die bestimmt was wie und wie benannt die Menschen ihr Leben führen und auch feiern.

Top down die Gesellschaft zu verändern ist ein schlimmer Trend den wir überall sehen aber der Widerstand meist durch nicht ernst nehmen wächst und das stimmt mich positiv.

SaHe am Mo, 15.05.2023 - 13:59 Link

Bei allem Respekt: Sie sind nicht maximal sachlich, sondern sexistisch. Frau Dr. Waterstradt ist promovierte Soziologin, hat außerdem Kommunikationswissenschaft, Sozialpsychologie und Amerikanistik studiert. Sie ist keine „Wissenschftlerin“, sondern Wissenschaftlerin. Aber Sie sind ja ein Mann, der das mit seiner „maximalen Sachlichkeit“ nicht anerkennen muss. Schade!

Wann haben Sie denn zuletzt mal Mütter in unserer Gesellschaft gefragt, wie es ihnen geht? Haben Sie sich Zeit genommen, einmal zuzuhören und zu verstehen, unter welchem Druck viele Familien, aber vor allem Mütter stehen? Halten Sie nicht aus, dass an diesem Tag die Mütter im Fokus stehen?

Die Gesellschaft verändert sich nicht Top-Down, sondern - Gott sei Dank - an vielen Stellen gleichzeitig. Das bringt natürlich alte, patriarchale Strukturen, von denen Sie mutmaßlich stark profitiert haben, ins Wanken.

Ich bin dankbar für diesen Artikel, fühle mich in meiner Situation als zweifache Mutter, die gerne arbeitet, gesehen und wünsche Ihnen, dass Sie wenigstens versuchen, Frauen als ebenbürtige Menschen zu sehen.