1. Der Muttertag begann als Friedensinitiative
Julia Ward Howe setzte sich bereits um 1870 für den "Friedenstag der Mütter" ein. Für Howe und andere Friedensaktivistinnen sollte der Muttertag die weltweite Einheit der Mütter im Kampf gegen den Krieg demonstrieren – als Antwort auf die Bürgerkriege in den USA und den französisch-russischen Krieg in Europa.
Howe rief Frauen dazu auf, sich einmal im Jahr in Gemeindehäusern, Kirchen und öffentlichen Einrichtungen zu treffen. Dann wurden Vorträge gehalten, Hymnen gesungen und zum Abschluss ein Gebet gesprochen. Bis kurz vor den ersten Weltkrieg wurden in Boston, New York, Philadelphia und Chicago regelmäßig Gottesdienste am Muttertag gefeiert.
2. Methodistin Anna Jarvis gründete Muttertags-Verein
Als Begründerin des Muttertags gilt die US-amerikanische Methodistin Anna Jarvis. Sie hatte am 9. Mai 1907 in Gravis (West Virginia) am Todestag ihrer Mutter nach dem Gottesdienst 500 Nelken an die Mütter des Ortes verteilt. Im folgenden Jahr wurde in ihrer Kirche den Müttern erstmals eine Andacht gewidmet.
Anna Jarvis gründete 1912 eine Organisation: Die "Mothers Day International Association" sollte landesweit dem Muttertag zu einer größeren Popularität verhelfen. Jarvis schrieb Briefe an die amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson, mit der Bitte, sie zu unterstützen. Doch schließlich wurde der 8. Mai 1914 zum gesetzlichen Feiertag in den USA erklärt.
3. US-Präsident Roosevelt wollte Muttertags-Briefmarke
Auf einem Plakat aus dem Jahr 1934 hält eine junge Frau eine Muttertags-Briefmarke in die Höhe. Diese Marke soll US-Präsident Franklin Roosevelt ersonnen haben.
Die Briefmarke sollte den Maler James Abbott McNeill Whistler würdigen und zeigte dessen Porträt "Whistlers Mother". Doch Präsident Roosevelt nutzte das ikonenhafte Motiv der Mutter und fügte eine Widmung hinzu – als "Erinnerung und zur Würdigung der Mütter Amerikas". Anna Jarvis soll sich damals gegen das Briefmarken-Motiv ausgesprochen haben.
4. Kommerzialisierung des Muttertags
Der Muttertag wurde schnell kommerzialisiert. Anna Jarvis ging mit allen Mitteln gegen Spendenaktionen oder Verkaufsshows vor. Für sie waren die Spendenorganisationen nichts weiter als "christliche Piraten" - denn Jarvis fürchtete, dass das Geld nicht bei den Frauen ankomme, für die es eingesammelt wurde.
Anna Jarvis betrachte den Muttertag als ihre Erfindung – und ging deshalb gerichtlich gegen die Kommerzialisierung vor. Sie ließ eine Mitteilung verbreiten, dass sie gegen alle Einrichtungen vorgehen werde, die den Tag für Verkaufsaktivitäten nutzten. Um 1923 prozessierte sie gegen mehr als 30 Institutionen. Weil sie ein Fest handgreiflich störte, soll sie sogar einmal inhaftiert worden sein.
Jarvis starb mit 84 Jahren. Ihre letzten vier Jahre soll sie in einem Sanatorium verbracht haben - verarmt und einsam.
5. Rosen, Tulpen, Nelken: Blumen zum Muttertag
Die weisse Nelke war die Lieblingsblume von Anna Jarvis' Mutter. "Die Nelke lässt ihre Blätter nicht hängen, sondern schließt sie in ihr Herz, wenn sie stirbt – genau so, wie Mütter ihre Kinder für immer in ihr Herz schließen", soll Jarvis erklärt haben.
Heutzutage schenken die meisten an Muttertag einen bunten Strauß bunter Blumen oder einen Strauß Rosen. Doch auch Schmuck und Geschenke stehen hoch im Kurs. Für den Blumenhandel ist der Tag bis heute äußerst lukrativ – er erzielt die höchsten Umsätze des Jahres.
6. Zur Ideologisierung des Muttertags
Nach dem Ersten Weltkrieg gewann der Muttertag international rasch an Popularität – insbesondere der Handel sorgte für dessen Verbreitung. In Deutschland rief der Verband der deutschen Blumengeschäftsinhaber ab 1923 den Muttertag am zweiten Maisonntag aus.
Der wahre Frauenberuf, so proklamierte die Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundheit im Jahr 1927, bestehe darin, "an der Seite des Mannes Priesterin an seinem Herde und Mutter seiner Kinderschar" zu sein.
Diese Ideologie wurde in der Zeit des Nationalsozialismus intensiviert, ein "Ehrentag der deutschen Mutter" ausgerufen und ideologisch instrumentalisiert. Nun wurden in den Schulen Weihe-Spiele aufgeführt. Mit Kriegsbeginn wurde mit der Verleihung von "Mutterkreuzen" begonnen, deren Söhne den "Heldentod" gestorben waren.
7. Muttertag auf evangelisch: Weniger Kommerz, mehr Gemeinschaft
"Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, wie dir der Herr, dein Gott, geboten hat, auf dass du lange lebest und dir's wohlgehe in dem Lande, das dir der Herr, dein Gott, geben wird." (5. Mose, 5,16).
In der Bibel gibt es zahlreiche Hinweise auf die Ehrung der Mütter. Die meisten Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen bemühen sich heute, den Muttertag zu entkommerzialisieren. Kindertagesstätten organisieren ein Familien-Frühstück, Gemeinden laden ein zu Konzerten, Lesungen oder einem besonderen Gottesdienst.
8. Künstlerinnen thematisieren selten ihr Mutter-Dasein
Mütter sind eines der ältesten Motive in der Bildenden Kunst. Die Venus von Willendorf ist nur eines von vielen Beispielen prähistorischer Kunst, die schwangere Frauen abbildet. In abendländischer Kunst gibt es unzählige Darstellungen der Mutter Maria. Gemalt wurden diese Bilder allerdings häufig von Männern.
Künstlerinnen, die sich als Mutter malen, sind selten. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts hatten die Künstlerinnen der Avantgarde damit zu kämpfen, als Frau ernst genommen zu werden. Wenn Künstlerinnen Kinder haben, ist das bis heute oft noch Privatsache und nicht Gegenstand ihrer Arbeit. Eine der zeitgenössischen Künstlerinnen, die sich diesem Trend widersetzt, ist die Fotografin Katharina Bosse.
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