Erwartungsvoll sitzen die 22 Kinder aus der Klasse 5a der Geschwister-Scholl-Mittelschule Röthenbach an der Pegnitz um einen langen Ateliertisch im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. "Was ist euer persönlicher Superheld in eurem Leben?" fragt Michael Käser, der die Führung durch die Sonderausstellung "Helden, Märtyrer, Heilige" leitet. "Für mich ist es ein Freund, der an Heiligabend Schlafsäcke an Obdachlose verteilt hat", meldet sich Leon. "Der Gründer der Pfadfinder", "Meine Mama" sind weitere Antworten.
Sonderausstellung im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg
Die Sonderausstellung beschäftigt sich mit den Superstars des Mittelalters und zeigt, welche Auswirkungen sie auf die Helden unserer Zeit wie etwa Ironman, Avatar oder Batman haben. Der größte Held des Mittelalters sitzt auf einem Esel mit riesigen Ohren, hat keine Schuhe an und macht mit seinen Fingern das Peace-Zeichen. "Jesus ist ein Superheld, weil er mit seinen Superkräften Menschen heilen konnte", erklären die Kinder.
Käser erläutert, dass moderne Helden meist tolle Uniformen haben und mächtige Könige oft eine kostbare Rüstung gehabt hätten. Jesus aber habe nicht einmal Schuhe gehabt und sei auf einem kleinen Esel geritten, um den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Am Bild des "Tegernseer Kalvarienberg" (1450), das die Kreuzigung Christi zeigt, weist Käser auf die Urform der Heldengeschichte hin.
Avengers im Germanischen Nationalmuseum
"Die erfolgreiche Superhelden-Filmreihe 'Avengers' ist nur abgepaust", erklärt er. Im letzten Teil der Marvel-Serie sterbe Ironman bei dem Versuch, die Welt zu retten. Das Original, der mittelalterliche Held Jesus, stirbt zwar auch bei der Rettung der Welt, kommt dann aber wieder zurück", stellt er die Unterschiede zwischen alten und neuen Heroen-Erzählungen heraus.
Jeder Held habe jedoch eine Vorgeschichte, erklärt der Museumspädagoge. Spiderman sei erst ein ganz normaler Student gewesen, bis etwas sein Leben verändert hätte. "Er wurde von einer Spinne gebissen und bekam dann Superkräfte", stellt die Schulklasse ihr Wissen unter Beweis.
Die Vorgeschichte zu Superstar Jesus sind drei aus Eichenholz geschnitzte Figuren, die sich im ersten Raum der Sonderausstellung befinden. "Der in der Mitte ist eindeutig der coolste", lautet das klare Urteil der Schülerinnen und Schüler. Er hat eine Krone, ein Schwert und einen Bart und zeigt möglicherweise nach einem Stern. Finnja erklärt, um wen es sich bei der Figurengruppe handelt. "Das sind die Heiligen Drei Könige, die mit Gold, Weihrauch und Myrrhe zu Jesus in den Stall kommen", sagt sie. Und am 6. Januar hätten sie auch heute noch einen eigenen Tag. "Da gehen Kinder von Haus zu Haus, um Geld für arme Kinder zu sammeln", erzählt sie. Sie selbst sei nämlich seit mittlerweile drei Jahren aktiv bei der Sternsinger-Aktion dabei.
Persönlich wird es auch in dem Ausstellungsraum "Märtyrer - Imitatoren Christi". Dort stoßen die Kinder auf den Namensvetter eines ihrer Klassenkameraden, und zwar auf den Heiligen Laurentius. Dieser hatte das Geld der Kirche an Arme und Bedürftige verteilt, um es dem Zugriff des heidnischen Kaisers Valerian zu entziehen. Der Legende nach ließ ihn der römische Kaiser dafür auf einem Rost über dem Feuer braten. "Das war wie ein geräucherter Fisch auf der Kirchweih", stellt Käser es bildlich dar.
Aber vielen Menschen, die sich Jesus als Vorbild nahmen und dafür bestraft wurden, sei nichts passiert, weil Gott sie beschützt habe, ergänzt er. Friedlicher zugegangen sei es bei Elisabeth von Thüringen. Die Schülerinnen und Schüler stehen vor ihrer Skulptur, die von Tilman Riemenschneider geschnitzt wurde. Anhand der langen, wallenden Kleidung und der kunstvollen Haube auf ihrem Kopf stellen sie fest, dass es sich dabei um eine "rich lady" gehandelt haben muss. Als die Thüringer Landgräfin allerdings dem Vorbild Jesu folgend ihren ganzen Familienbesitz für die Speisung von Hungrigen ausgegeben habe, sei sie bei ihren adeligen Verwandten keineswegs auf große Begeisterung gestoßen, beschreibt Käser die Reaktionen der Familie.
Nach den vielen Eindrücken können nun auch die Schülerinnen und Schüler selbst aktiv werden und das Symbol ihres persönlichen Vorbilds auf buntes Papier malen, um es anschließend auf einer langen Schnur aufzufädeln. Dieses bunte Mobile mit vielen Herzen, Smileys, Familienmitgliedern und Freunden wird die Klasse 5a noch lange an ihren Ausflug zum Superhelden des Mittelalters erinnern.
Die Ausstellung "Helden, Märtyrer, Heilige?" ist bis zum 4. Oktober 2020 im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg zu sehen.