Neugierige Kinderhälse recken sich um eine große Schüssel auf dem Tisch. Es herrscht herrliches Geschnatter - bis ein lautes Rattern und Rumpeln den Raum flutet. Ein blonder Junge hat eine Getreidemühle angeknipst. Frisches Mehl rieselt heraus, es staubt ein wenig. So geht das zwei Mal pro Woche im neuen evangelischen Philippus-Kinderhaus in Waldbrunn. In der viergruppigen Kita ist vieles wie in vielen Krippen und Kindergärten, aber manches ist ganz anders. Die Kinder nehmen zum Beispiel kein Pausenbrot mit in die Kita. Sie backen es dort selbst. Mit regionalen, saisonalen und am besten biologischen Zutaten.

"Pädagogisches Kochen" heißt das, was im evangelischen Kinderhaus angeboten wird, sagt Pfarrerin Kirsten Müller-Oldenburg. Sie hat es bei ihren eigenen Kindern kennengelernt - und wollte das Konzept auch in der erst im September eröffneten Waldbrunner Kita umsetzen: "Kinder lernen in der Gemeinschaft anders essen. Also auch: andere Dinge zu essen." Der "Igitt-Brokkoli" von daheim schmeckt in der Kita ganz gut. Zum Beispiel. Konkret sieht es so aus:

Alle Kinder bekommen in der Kita Frühstück, Mittagessen und Pausensnacks. Alles vitalstoffreich, frisch und vollwertig, ohne Fleisch und Fisch, also immer vegetarisch.

Kita-Leiterin Christine Demant hat sich extra wegen des Konzeptes auf die Stelle der Einrichtungsleitung beworben: "Das ist mir persönlich ein Anliegen, den Kindern zu zeigen: Was ist gutes, gesundes Essen - und wo kommt es eigentlich her?" In Waldbrunn wird mit den Kindern nicht nur Brot gebacken, sondern auch Gemüse geschnippelt, Brotaufstriche gemixt, Tisch gedeckt und wieder aufgeräumt.  Das gemeinsame Essen wird immer von Pädagogen begleitet. Eine Hauswirtschafterin bereitet die Speisen zum Teil mit den Kindern zu. Ab Frühling sollen im Garten dann Hochbeete angelegt und eigenes Gemüse angebaut werden.

Die Kinder sollen vom Samenkorn bis auf den Teller einen Bezug zum Essen bekommen, sagt Pfarrerin Müller-Oldenburg: "Natürlich gibt es Skeptiker." Nicht jeder verstehe auf Anhieb, warum es in der Kita "nur" vegetarisches Essen gibt. "Wir sind nicht der Auffassung, dass Kinder grundsätzlich vegetarisch ernährt werden sollten", sagt die Pfarrerin. Vielmehr ermögliche man Familien, dass ihre Kinder in der Kita eine "sehr gesunde, frische Nahrung aus Gemüse und Vollkorn" erhalten. Dass Kinder abends gerne mal Wienerle äßen sei "klar und dann eben auch kein Problem", weil ja die Kita auf gesunde Ernährung achte.

Dem Team gehe es dabei auch um die theologische Komponente: die Bewahrung der Schöpfung und den Bezug zur Natur, zu den Früchten der Saison, und zu ihrer Herkunft von regionalen Anbietern, die man mit dem Bollerwagen besuchen kann, um die Eier selbst abzuholen.

Zugleich wird der Geschmack der Kinder mit ungewohntem Gemüse geschult. Experimentiert wird allerdings nicht - die Speisen richten sich nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die Kita wird im Rahmen des "Coachings Kitaverpflegung" vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Würzburg betreut.

Fachberaterin Gwendolin Hammer sagt, das Philippus-Kinderhaus sei eine Vorzeige-Kita. "Man kann dem, was hier pädagogisch und für die Gesundheit der Kinder geleistet wird, gar nicht genug Wertschätzung entgegenbringen." Viele Kitas machten sich gerade auf den Weg, selbst zu kochen, statt sich mit Essen aus Großküchen beliefern zu lassen. Das Essen von dort sei nicht automatisch schlechter. Aber Kinder, die teils von früh bis spät in der Kita seien, bekämen so die Zubereitung ihrer Speisen gar nicht mehr mit. Und das hat Auswirkungen fürs gesamte Leben - aufs Ess- und Einkaufsverhalten. Und eher nicht positiv.

"Wir versuchen Großfamilienalltag zu leben", sagt Müller-Oldenburg.

Die Kinder sind in alle alltäglichen Vorgänge mit einbezogen. Wie früher wird nichts weggeworfen - sondern alles verwertet. Bis der für die Rohkost geschnippelten Karottenschale. "Da kann es zu Hause schon mal passieren, das Kinder es nicht gut finden, wenn das automatisch im Biomüll landet", sagt die Kita-Leiterin Demant. Schließlich koche die Hauswirtschafterin daraus einen Suppenfond. "Und ganz nebenbei entstresst es den Eltern-Alltag", findet die Pfarrerin: "Ich muss frühs keine Pausenbrote schmieren. Das ist gewonnene Zeit fürs Kind!"

Dass so eine Vollverpfleger-Kita aber kein leichtes Unterfangen ist, das haben die Verantwortlichen gemerkt, als die ersten Rechnungen für die Lebensmittel ins Haus flatterten. Viel zu geringe Gebühren für viel zu hohe Ausgaben. Und da kam dann neben Beraterin Hammer auch der Projektmanager der Öko-Modellregion Waldsassengau, Jochen Diener, mit ins Spiel. Er vermittelte Lieferanten aus der Region, teilweise auch Bio-Landwirte. Ohne Zwischenhändler und weite Fahrtwege sind deren Waren oft deutlich erschwinglicher. "Außerdem ist auch das wieder ein Stück weiter in Richtung Nachhaltigkeit", sagt Müller-Oldenburg.

Den Kindern freilich ist das erst einmal egal. Ihnen macht das Werkeln in der Küche und im Esszimmer vor allem Spaß. Wie selbstverständlich räumen die kleinen Brotbäcker die dreckigen Utensilien in die Küche, wo die Hauswirtschafterin schon darauf wartet. Doch bevor der Tisch fürs schon heißt ersehnte Frühstück gedeckt wird, müssen die Kinder noch etwas Wichtiges erledigen. "Wir frischen unseren Sauerteig auf", sagt die Erzieherin. Die Vier- bis Fünfjährigen wissen genau, was nun zu tun ist. Oder jedenfalls, was passiert, wenn man nichts tut: "Dann gibt's kein so gutes Brot mehr", sagt ein Mädchen. Und grinst.