Melanie May muss nicht lange überlegen, wie es zu der beruflichen Kehrtwende in ihrem Leben kam:

"Ich habe in meinem Job keinen Sinn mehr gesehen."

Ständig Koffer packen und die Familie verlassen zu müssen, auch die Arbeit selbst habe sich verändert.

Irgendwann wusste die heute 46-Jährige: Das war's mit ihrem Beruf als Flugbegleiterin bei einer großen Airline. Sie kündigte, orientierte sich neu - und baute ihr eigenes Bestattungsunternehmen in Fürstenfeldbruck bei München auf.

Von der Flugbegleiterin zur Bestatterin

Warum sie sich gerade für eine Ausbildung zur Bestatterin entschied, hatte mehrere Gründe. "Meine Eltern können es jedenfalls bis heute nicht verstehen", gibt May unumwunden zu. Aber sie fühle sich für den Beruf der Bestatterin berufen, er gebe ihr wieder Sinn.

Sie habe keine Berührungsängste mit dem Tod, sie stehe gern Menschen in schwierigen Zeiten bei, sie könne zuhören und habe ein Händchen für Deko.

Was ihr schon immer ein Dorn im Auge gewesen sei, erzählt sie, seien die "grottig-grauseligen Sterbekarten", klassische Trauerkarten also, deren Stil sich seit Jahrzehnten nicht verändert habe.

May hat ihren eigenen Stil

Ihr Lebensgefährte habe in einer Druckerei gearbeitet, also habe sie mit seiner Hilfe angefangen, individuelle, persönlich gehaltene und modernere Karten zu entwerfen.

"Die Karte muss einfach zu dem Verstorbenen passen", sagt Melanie May. Statt auf Passbilder der Verstorbenen setze sie auf Freizeit- oder Urlaubsbilder, auch den Hintergrund oder die Rückseite gestaltet sie nach den Vorlieben des gestorbenen Menschen.

Eigenes Bestattungsunternehmen in Fürstenfeldbruck

Am 1. September 2021 war es dann so weit: Sie eröffnete ihr Unternehmen "Abendhimmel" im Zentrum von Fürstenfeldbruck. Eine große Unterstützung seien ihr dabei immer ihr Lebensgefährte und auch ihr Sohn im Teenager-Alter gewesen.

"Er war so stolz auf mich, auch wenn ich die letzten Jahre nur wenig Zeit für ihn hatte", sagt May.

Nur wenige Monate später dann die Tragödie: Ihr Sohn starb Anfang 2022 am plötzlichen Herztod.

Persönliche Tragödie

Der Tod ihres Sohnes zog Melanie May den Boden unter den Füßen weg. Sie sei oft gefragt worden, wie sie danach ihre Arbeit als Bestatterin weiter ertragen könne. "Aber gerade die Arbeit hilft mir", sagt sie. Denn sie und ihre Klienten teilten dasselbe Schicksal - nämlich einen geliebten Menschen verloren zu haben.

Nur einmal habe sie an einer Aufgabe gezweifelt: als sie den Anruf bekam, ein verstorbenes Kind abzuholen. "Da hatte ich Angst, weil ich nicht wusste, ob ich die Eltern auffangen konnte." Doch sie schaffte es.

Schwerpunkt Dekoration

Melanie May führt ihr Unternehmen zum großen Teil alleine: Sie holt die Verstorbenen zusammen mit einem befreundeten Bestatter ab, organisiert Sterbeurkunden, kontaktiert Krematorien, Friedhöfe und Pfarrer und richtet die Verstorbenen für die Beerdigung her. Besonders wichtig ist ihr die Dekoration.

Ein Verstorbener etwa sei begeisterter Angler gewesen. Also habe sie eine Wurfangelrute und eine Anglerweste organisiert. Ein anderer habe eine Harley gefahren. Also habe sie die Urne auf einer Harley-Davidson vorgefahren:

"Ich möchte den Menschen so verabschieden, wie er auch im Leben war."

Ihr ist es daher auch wichtig, dass die Menschen den eigenen Tod nicht verdrängen, sondern so viel wie möglich selbst vorbereiten. "Damit tut man den Angehörigen einen großen Gefallen", ist May überzeugt.

Denn viele seien so sehr mit ihrer Trauer beschäftigt, dass sie den Kopf nicht freihätten, zu entscheiden, welche Musik auf der Beerdigung gespielt werden solle oder welches Foto aufs Sterbekärtchen komme. "Man muss mit dem Tod leben", sagt Melanie May.