Am Abend, wenn es still wird, dann klingelt das Telefon in der Regensburger Zentrale besonders häufig. Wenn die Ängste überhandnehmen und kein Ausweg mehr in Sicht ist, bleibt als letzter Weg nur noch die Telefonseelsorge: "Wir haben weinende Menschen am Telefon, die wir beruhigen müssen. Es kommen auch Tränen der Verzweiflung und Wut", weiß Josef Stautner. Seit acht Jahren leitet der Theologe die Telefonseelsorge Regensburg - mit 10 000 Beratungs- und Seelsorge-Gesprächen jährlich. Sie wurde vor 50 Jahren gegründet und begeht ihr Jubiläum am 19. Mai.

Viele Menschen leiden an Einsamkeit

Die Idee dahinter war zunächst ausschließlich eine Suizidprävention. Speziell in Regensburg war es die Akademikergemeinschaft Christophorus, die das Anliegen den beiden Kirchen als Träger vorstellte. Bis heute sei dieses Kernanliegen auch erhalten geblieben, für Menschen in akuten Krisen da zu sein, sagt Stautner.

In den vergangenen Jahren sei aber die Betreuung von Menschen in chronischen Krisen immer wichtiger geworden. Die Anrufenden meldeten sich mit den unterschiedlichsten Sorgen und Ängsten.

"Über ein Viertel der Anrufenden leiden an Einsamkeit, haben drei Tage lang keine andere Stimme gehört. Oder sie leiden an Krankheiten oder wenden sich mit Beziehungs- und Partnerschaftsproblemen an unsere Mitarbeiter."

Auch Existenzsorgen spielten eine Rolle. Aber weil Energiekosten, Inflation und Krieg sowieso in aller Munde seien, würden sie weniger direkt angesprochen: "Die vielen Krisen triggern die Ängste der Menschen und verstärken sie viel mehr."

Immer mehr junge Menschen melden sich bei der Seelsorge

Mehr als 100 ehrenamtliche Mitarbeiter stehen bereit, um Tag und Nacht Menschen in Nöten ihr Ohr zu leihen, "und die auch mit dem, was sie hören, umgehen können, wenn sie mit dem Headset oder dem Hörer in der Hand am Schreibtisch im Dienstzimmer sitzen", sagt Stautner. Die Ausbildung dauere mindestens ein Dreivierteljahr. "Wir versuchen, die nächsten kleine Schritte ins Auge zu fassen, damit jemand seine Situation verbessern kann."

Neben vielen älteren Menschen wenden sich auch immer mehr junge Leute an die Telefonseelsorge. Die Jüngeren, ab 15 Jahren aufwärts, meldeten sich häufiger per Mail und Chat, erläutert Stautner. Die Themen seien neben Einsamkeit auch Selbstwertzweifel, Identitätsfindungsprobleme, aber auch Missbrauchs- oder Gewalterfahrungen sowie selbstverletzendes Verhalten.

Ganz für den anderen da sein

Welchen Einsatz die Mitarbeiter leisten, zeigt sich gerade auch in Zeiten, in denen die Wartezeiten für einen Therapieplatz immer länger werden. Stautner räumt ein, dass die Telefonseelsorge die Probleme der Menschen nicht lösen könne,

"aber das aufmerksame Zuhören mit Empathie, das Annehmen des Menschen in seiner Bedürftigkeit, die Akzeptanz, ohne zu bewerten, das Mit-Aushalten können eine Stütze sein."

Dabei sei das Wichtigste, in dem 20- bis 30-minütigen Gespräch "ganz für den anderen da zu sein". Es gehe nicht darum, "andere Menschen zu ändern, sondern einen Begegnungsraum anzubieten, in dem Veränderung möglich wird, wo sich im Annehmen eines anderen Menschen Heilsames ereignen kann", sagt der Theologe.

Das, was die Ehrenamtlichen hören und was ihnen anvertraut wird, ist auch für sie nicht immer leicht zu tragen. Zum einen stünden aber die Hauptamtlichen als Supervisoren für die Ehrenamtlichen bereit. Andere wiederum nähmen das Gehörte mit ins Gebet, verarbeiteten es bei einem Spaziergang oder fänden andere Strategien, um sich auch wieder davon zu lösen und den Kopf freizubekommen.

Die Regensburger Zentrale arbeitet mit den Seelsorgestellen in Weiden und Passau zusammen. Niemand brauche zu befürchten, dass alle Plätze belegt sind, sagt Stautner. Die Telefonseelsorge ist zudem regionalisiert. "Alle Anrufe aus der Region landen wirklich in der Region." Nur die Mail- und Chatseelsorge werde bundesweit beantwortet.

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