Siamak Sheikhbaglou zieht die blaue Plastikkarte aus der Tasche. Es sei alles nicht so leicht mit der Bezahlkarte für Geflüchtete, kritisiert der 30-jährige Kurde aus dem Iran. Manchmal funktioniere die Karte nicht, mit der er seine Einkäufe und Rechnungen bezahlt.

"Im Januar gab es eine mehr als zehntägige Störung", erzählt der Asylbewerber, der in Berghausen bei Speyer wohnt. Er kam nicht an seine Geldleistungen und informierte das zuständige Sozialamt. "Abwarten", habe die Antwort gelautet. Er musste Freunde anpumpen, ihm etwas Geld zur Überbrückung zu leihen.

Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz ist im Januar die Bezahlkarte für Asylbewerber und Geduldete mit einem Pilotprojekt in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Trier gestartet. Diese können ihre Sozialleistungen nur noch über die Bezahlkarte bekommen, nicht mehr als Bargeld oder per Überweisung wie bisher. Auf die Bankkarte wird monatlich für die Bezieher ein Guthaben aufgeladen, gemäß ihren Ansprüchen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die Landesregierung in Mainz empfiehlt den Kommunen als Leistungserbringern, davon 130 Euro als Bargeld abhebbar zu machen.

Vor einem Jahr hatten sich die 16 Bundesländer auf die Einführung einer Bezahlkarte geeinigt. Ziel der Maßnahme ist es demnach, Auslandsüberweisungen von Geflüchteten etwa an ihre Familien zu verhindern. Zudem soll die Bezahlung von Schleppern verhindert werden. Auch soll sich durch den Wegfall der Bargeldauszahlung der Verwaltungsaufwand verringern.

Unterschiedliche Einschätzungen zur Akzeptanz

Dem rheinland-pfälzischen Integrationsministerium in Mainz zufolge haben der Rhein-Pfalz-Kreis und die Stadt Pirmasens bereits eigene Bezahlkartenmodelle eingeführt. Die Bezahlkarte treffe "auf eine hohe Akzeptanz vonseiten der Schutzsuchenden", informiert ein Ministeriumssprecher. Das Pilotverfahren verlaufe "zufriedenstellend und störungsfrei".

Flüchtlingsinitiativen kritisieren hingegen, die Bezahlkarte sei wirkungslos und diskriminiere nach Deutschland geflüchtete Menschen.

"Sie soll die Kontrolle über sie ausüben."

Das sagt Didar Aldawdi vom Migrationsfachdienst des Vereins Lernzirkel Ludwigshafen.

Einschränkungen im Alltag

Siamak Sheikhbaglou kann nicht nachvollziehen, wie durch die Bezahlkarte ein möglicher Missbrauch von Sozialleistungen verhindert werden könnte. 397 Euro habe er monatlich zur Verfügung, als Bargeld könne er allerdings nur 200 Euro abheben. "Das Geld reicht mir gerade so zum Leben, ich könnte nichts an meine Familie schicken", sagt der gelernte Verkäufer, der einen Sprachkurs besucht und auf Arbeitssuche ist.

Schlimm sei es, dass man mit der Bezahlkarte keine Bankgeschäfte erledigen könne. Für einen Integrationskurs habe er beispielsweise keine Fahrtkosten erstattet bekommen:

"Ich konnte keine IBAN-Nummer angeben."

Sheikhbaglou, der seit eineinhalb Jahren in Deutschland lebt, wünscht sich statt der Bezahlkarte ein eigenes Bankkonto. Damit wäre sein Alltag viel leichter, sagt der Iraner, der von der Revolutionsgarde des Regimes in Teheran gefoltert wurde. Mit Stöcken schlugen sie ihn auf Arme und Beine, noch heute hinkt er. Mit einem eigenen Konto könnte er etwa Geld für eine Bahnkarte überweisen oder einen Handyvertrag abschließen, sagt Sheikhbaglou.

Fehlende Transparenz bei den Finanzen

Mit der Bezahlkarte habe er keinen Überblick darüber, wie viel Geld er noch bis zum Monatsende übrig habe, ergänzt er. "Es gibt leider keine Handy-App, um das zu sehen. Ich muss immer zusammenrechnen." Er selbst sei wie viele Menschen aus dem Iran vor Krieg und Verfolgung nach Deutschland geflohen.

"Ich kam nicht wegen des Geldes, sondern wegen der Sicherheit."

Nun wolle er sich ein eigenes Leben aufbauen und nicht länger von staatlichen Leistungen abhängig sein.

Kritik von der Evangelischen Kirche

Auch Helmut Guggemos, der Migrationsbeauftragte der Evangelischen Kirche der Pfalz und ihrer Diakonie, lehnt die Bezahlkarte als "einen menschenrechtlich bedenklichen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht von Geflüchteten" ab.

Das Instrument der Bundesländer schade deren gesellschaftlicher Integration. "Die Geflüchteten erhalten Leistungen, die ihnen gesetzlich zustehen", sagt Guggemos. "Sie sollten nicht entmündigt werden bei der Frage, wie sie mit dem Geld umgehen, das ihnen zusteht."

Kommentare

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Florian Meier am Don, 20.02.2025 - 21:33 Link

Die technischen und praktischen Mängel sollten abgestellt oder das ganze Modell noch einmal überdacht werden. Das Ganze als menschenrechtswidrig darzustellen geht aber auch wieder ins gegenteilige Extrem. Das ganze wird hier noch mit Themenfremden Dingen (Konto) vermengt. Das hätte der Betroffene auch nicht, wenn die Leistung bar übergeben würde und ist insofern zwar für den Alltag relevant und wohl zu ändern, hat aber mit der Bezahlkarte nichts zu tun. Ob Asylwerber zumindest ein einfaches Konto wie Studenten haben können sollen kann man freilich diskutieren und da gäbe es vielleicht über Behebungslimits die Möglichkeit die Bezalkarte überflüssig zu machen und sich einigen administrativen Aufwand zu sparen. Häufige technische Pannen sind bei den eh knappen Mitteln ein No Go. Da treibt man die eh gestressten Leute noch zu illegalen Handlungen an und erzeugt viel Extraarbeit für die eh belasteten Verwaltungen.