Auf den Weihnachtsmärkten gibt es jedes Jahr eine bunte Anzahl alkoholischer Heißgetränke. Nicht nur die verschiedensten Glühweinsorten, Punsche und Feuerzangenbohlen, sondern eben auch den "Lumumba", eine heiße Schokolade mit Rum, die im Moment Schlagzeilen schreibt.
Seit mehreren Jahren schon gibt es pünktlich zur Vorweihnachtszeit Diskussionen über den Namen des Kakaogetränks. Auch dieses Jahr gibt es laute Stimmen, die eine andere Bezeichnung für das Getränk fordern.
Auslöser der Debatte dieses Jahr: Die Frankfurter Tourismus und Congress GmbH hat für den Weihnachtsmarkt eine klare Empfehlung ausgesprochen: Der Name "Lumumba" sollte von den Getränkekarten gestrichen werden, da er als problematisch mit Blick auf Rassismus und koloniale Konnotationen gilt. Doch die Diskussion reicht inzwischen darüber hinaus und berührt Fragen zur Tradition, der Verantwortung im Umgang mit Sprache und den Umgang mit historischer Erinnerungskultur. Doch warum genau ist dieser Name denn jetzt problematisch? Und wie sollte damit umgegangen werden?
Der Hintergrund des "Lumumbas"
Der "Lumumba" ist kein neues Trendgetränk wie beispielsweise der "Glühparol" (heißer Aperol Spritz), sondern wird laut einigen Quellen schon seit den 1960er Jahren verkauft und zu Hause zubereitet. Auch die Debatte um den Namen ist nicht neu. Bereits 2011 stellten die Journalistin Irene Brickner und der Medienkritiker Simon Inou den Zusammenhang des Heißgetränks und den diskutierten Hintergrund des Namens her.
Der Name "Lumumba" wird von ihnen als Anspielung auf den kongolesischen Politiker Patrice Lumumba verstanden. Auch wenn sich diese Anspielung nicht zweifelsfrei belegen lässt, wirkt die Verbindung angesichts des zeitlichen Kontexts plausibel. In den 1960er-Jahren war Patrice Lumumba als Symbolfigur der antikolonialen Bewegung weit bekannt, sein Name prägte damals die öffentliche Wahrnehmung.
Außerdem trägt die koloniale Konnotation von Kakao und Rum dazu bei, dem Namenshintergrund Glauben zu schenken. Der Kakaoanbau ist historisch eng mit der Versklavung afrikanischer Menschen verbunden, während Rum ein zentrales Handelsgut im Dreieckshandel war.
In den Medien hat sich diese durchaus logische Interpretation seit 2011 längst als gängige Narrative etabliert und bildet den Ausgangspunkt für die aktuelle Debatte.
Wer war Patrice Lumumba?
Patrice Émery Lumumba war eine der zentralen Figuren für den Widerstand gegen koloniale Unterdrückung in Afrika. Als erster, demokratisch gewählter Premierminister des unabhängigen Kongo setzte er sich in den 1960er-Jahren für die Befreiung des Landes von den kolonialen Strukturen ein, die Belgien über Jahrzehnte hinweg etabliert hatte. Seine Vision war ein souveräner Kongo, frei von neokolonialer Einmischung.
Doch Lumumbas Leben endete tragisch: 1961 wurde er mit Unterstützung des belgischen und des US-amerikanischen Geheimdiensts entführt, gefoltert und schließlich ermordet. Sein Tod – ein Symbol für die brutalen Machtkämpfe und das Erbe des Kolonialismus.
Die Vermarktung eines Traumas
Die Problematik des Namens reicht über die kolonialen Stereotype von Kakao und Rum weit hinaus. Ebenso reichen simple Erklärungen nicht aus, wie eine mögliche Anspielung auf die Hautfarbe des kongolesischen Unabhängigkeitskämpfers oder die makabre Verbindung zwischen einem "Drink mit Schuss" und einem Mann, der brutal ermordet wurde.
Das zentrale Problem liegt vielmehr in der deutlichen Diskrepanz zwischen der historischen Bedeutung des Namens und seiner heutigen, unreflektierten Nutzung im Kontext von Unterhaltung und Konsum. Der heiter, unbeschwerte Kontext eines Weihnachtsmarktes verharmlost die Geschichte und die damit einhergehende postkoloniale Gewalt.
Unwissenheit
Patrice Lumumbas Name steht für den Kampf gegen Kolonialismus und den hohen Preis, den er dafür bezahlte. Doch ist das vielen Menschen heutzutage gar nicht bewusst. Die meisten Weihnachtsmarktbesucher, die einen "Lumumba" bestellen, denken nicht an Kolonialismus, Unterdrückung und Mord. Tatsächlich dürfte vielen der Name Lumumba noch nie begegnet sein.
Warum also eine solche Debatte über einen Getränkenamen führen, wenn die Verbindung mit dem kongolesischen Unabhängigkeitskämpfer Patrice Lumumba erstens nicht zweifelsfrei belegt ist und zweitens vielen Menschen der historische Hintergrund unbekannt bleibt? Er wird von den Konsumenten nicht aus rassistischen Motiven verwendet, sondern weitgehend unreflektiert und als Teil einer Weihnachtsmarkttradition wahrgenommen.
Doch gerade dieser unbewusste Umgang macht die Diskussion relevant: Es geht nicht nur um die Absicht, sondern auch um die Wirkung und die Frage, wie Geschichte und Erinnerung in der Gegenwart reflektiert werden sollten. Die Ignoranz ist keine neutrale Basis, sondern Ausdruck der fehlenden Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte.
Erinnerungskultur und Cancel Culture
Nicht alle Menschen halten die Diskussion um den "Lumumba" für gerechtfertigt. Einige argumentieren, dass die Benennung des Getränks nach Patrice Lumumba eine Form der Erinnerung sei, auch wenn diese aufgrund der kolonialen Stereotype oberflächlich und nicht gut gelungen erscheint. Schließlich würde durch die Verwendung des Namens Lumumba nicht vergessen werden.
Doch dieses Argument greift zu kurz, denn die meisten Menschen wissen eben wenig bis gar nichts über den kongolesischen Unabhängigkeitskämpfer, sodass der Name für sie keine Erinnerung an ihn wachruft.
Zudem wird in diesem Zusammenhang oft der Begriff Cancel Culture ins Spiel gebracht. Kritiker*innen befürchten, dass der Name "Lumumba" aus einer übermäßigen Sensibilität gegenüber gesellschaftlichen Normen entfernt werden soll.
Dabei ist der Begriff jedoch nicht offiziell verboten worden, sondern die Frankfurter Tourismus und Congress GmbH hat lediglich einen Namenswechsel dringend empfohlen. Diese Empfehlung zielt darauf ab, nicht etwa eine überzogene Reaktion zu erzeugen, sondern vielmehr eine Gelegenheit zur Aufklärung zu nutzen.
Die Diskussion könnte eine wertvolle Chance sein, sich mit der Geschichte von Patrice Lumumba auseinanderzusetzen und die Auswirkungen des Kolonialismus im öffentlichen Bewusstsein zu verankern.
Respekt oder Überempfindlichkeit
Die Debatte mag auf den ersten Blick übertrieben wirken, wenn man bedenkt, dass es sich nur um ein einzelnes Wort handelt, eine Überempfindlichkeit. Die Kehrseite davon ist jedoch, dass es keinen großen Aufwand bedarf, ein einzelnes Wort zu ändern und damit einen respektvollen Umgang zu schaffen.
In Norddeutschland ist das Getränk ohnehin schon als "Tote Tante" bekannt. Es wäre auch keine unzumutbar große Umstellung, stattdessen einfach eine "heiße Schokolade mit Schuss" zu bestellen. Also warum sollte man überhaupt auf dem Namen "Lumumba" beharren?
Kommentare
Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.
Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.
Anmelden
Wie richtig angemerkt wird,…
Wie richtig angemerkt wird, könnte der in Deutschland ungewöhnliche Name dazu führen, dass der vermeintliche Dummbürger (Erhebungen wie bekannt der Name tatsächlich ist lässt man lieber gleich sein), den Namen zwischen Zimtstern und Maronidunst googelt und etwas dazulernt oder halbe Erinnerungen wieder auffrischt. Das wäre nicht schlecht. Albernes Weißwaschen irgendwelcher Touriverbaende wird dagegen dem Andenken an afrikanische Geschichte eher nicht dienen. In Wahrheit sind es Verankerungen der Namen in westlicher Kultur, die Neugier auf die Geschichte des Nachbarkontinets machen. Man denke an den U2 Hit Biko, because... und wem das nicht reicht, der kann auch einmal nach Thomas Sankarra recherchieren. Solche inszenierten Sprachregulierungen erzeugen dagegen Verdruss und stärken das Interesse an der Geschichte von Kongo wohl eher nicht. Von einem sprachlich TÜV-geprueften Weihnachtsmarkt können sich Kongolesen übrigens gar nichts kaufen.