Spielzeug ist alles andere als Kinderkram. Das gilt zumindest für das Nürnberger Spielzeugmuseum, das einen ganzheitlichen und wissenschaftlichen Blick auf seinen Gesamtbestand mit gut 90.000 Objekten wirft.
"Spielzeug ist immer auch politisch", stellt Museumschefin Karin Falkenberg klar, "denn es ist nie frei von Haltungen und Wertungen, die in unserer Gesellschaft existieren".
Sie manifestierten sich oft unterschwellig, manchmal auch offensichtlich in Spielkarten oder Puppen bis zu Spardosen.
Falkenberg hat mit einem diversen Team die Sammlungen des Museums auf diskriminierenden Rassismus gegenüber Schwarzen Menschen durchforstet. Dabei ging es um eine stereotype Darstellung, die Menschen mit afrikanischen Wurzeln zeigt. Das gelte beispielsweise für ein altes "Schwarzer Peter"-Kartenspiel, das einen Schwarzen Mann mit wulstigen Lippen und Kulleraugen zeigt.
Es trifft auch auf eine gut 100 Jahre alte "Schwarze Tanzfigur" zu, die nach dem Aufziehen zu tanzen beginnt. Zusätzlich steht sie auf einem Podest mit dem Namen "Alabama Coon Jigger". Für US-Amerikaner ist der Begriff Coon - wenn er nicht den Waschbären meint - ein herabwürdigendes Wort für Schwarze. Insgesamt 70 rassistische Spielzeuge hat das Museum in seinem Bestand identifiziert. Weitere gut 700 Objekte gelten als mindestens problematisch.
Manche Stücke nicht mehr zeigen
Manche Stücke aus der Sammlung zeigt das Museum nicht mehr, sondern behält sie im Depot unter Verschluss. Sichtbar werden diese Stücke durch eine leere Vitrine. Andere Spielobjekte sind zweisprachig kommentiert zu sehen. Zusätzlich haben sie eine ergänzende Inszenierung erhalten. "Wir setzen auf Empowerment", erklärt Falkenberg.
Diese Selbstermächtigung verwandele die Motive Schwarzer Menschen vom Objekt in selbstbewusste Subjekte. Der "Schwarze Peter" erhält eine aktive Figur, die selbstbewusst zum Tritt gegen das "Schwarze Peter"-Kartenhaus ausholt. Die Alabama-Tanzfigur erhält als alternative Erzählung drei Bilder im Hintergrund. Darauf steigt er von seinem Tanzpodest heraus, wirft den Aufziehschlüssel weg und geht seiner eigenen Wege.
"Wir dürfen durch das unkommentierte Ausstellen nicht zur Reproduktion von Rassismus beitragen", beschreibt Falkenberg die Position ihres Hauses. Dass sie trotzdem einige Exponate zeigt, habe einen guten Grund:
"Wir dürfen als Museum und wissenschaftliche Einrichtung nichts tabuisieren."
Mittlerweile haben die engagierte Leiterin mehrere Anfragen anderer Museen aus dem Bundesgebiet erreicht, um sich über Vorgehen und Erfahrungen auszutauschen.
Spielzeug ist nicht unschuldig
Damit ist für die Leiterin des Spielzeugmuseums die Arbeit noch längst nicht erledigt. So fällt ihr etwa beim Thema Spielpuppen auf, dass 90 Prozent des weltweiten Angebots für die Kinderzimmer weiße Barbies & Co. sind. Schaut man auf die Weltbevölkerung, haben Weiße allerdings nur einen Anteil von zehn Prozent. "Spielzeug ist nicht unschuldig", betont Falkenberg.
Zudem gebe es in Summe nur wenige weibliche Puppen mit kurvigen Proportionen. Gleiches gelte für Varianten, die Puppen im Rollstuhl, mit Prothesen oder Hörgerät in der Menge zeigen, wie es dem Querschnitt einer Bevölkerung entspreche. Das Museum selbst plant, sich in einem nächsten Schritt der Darstellung von Chinesen im Spiel anhand der eigenen Bestände zu widmen.
Eine weitere Dimension des politischen Spielzeugs spiegele sich im Lieferkettengesetz wider. Damit werden entlang der Vorlieferanten soziale und ökologische Kriterien unter die Lupe genommen. So thematisiert etwa die Nicht-Regierungsorganisation Fair Toys die manchmal menschenunwürdige Arbeit in Fabriken in Fernost. Der Nürnberger Verein hatte sich vor vier Jahren im Spielzeugmuseum gegründet und im letzten Jahr erstmals sein Siegel für soziale und ökologische Verantwortung in der Spielwarenproduktion vergeben.
Am Wert von Spielzeug lässt Falkenberg naturgemäß keinen Zweifel. Spielzeug begleite die Menschheitsgeschichte von Anfang an, die Lust am Spiel habe jeder Mensch durchlebt. Das beginne mit dem ersten Festklammern und Ertasten eines Säuglings und setze sich mit dem Phantasie-, dem Rollen-, dem Konstruktions- und schließlich dem Regelspiel fort. "Das macht Spielsachen zu kulturellen Objektivationen, zu Symbolen unserer Kultur, zu Quellen unserer Geschichte und zum Spiegel unseres Fortschritts", sagt Falkenberg.
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