Knapp ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban stecken nach Angaben von Helfern noch immer mehrere hundert einstige Ortskräfte der Bundeswehr in Afghanistan fest und fürchten um ihr Leben.

"Auf meiner Warteliste stehen Hunderte Menschen, die zwar eine Aufnahmezusage für Deutschland haben, aber keinen afghanischen Reisepass", sagte Qais Nekzai vom Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte dem Sonntagsblatt.

"Sie halten sich versteckt und fragen sich, wie lange sie diese Situation noch aushalten müssen."

Insgesamt sind inzwischen 17.556 ehemalige Helfer der Bundeswehr und ihre Familienangehörigen nach Deutschland eingereist, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg dem Sonntagsblatt bestätigte. Es gebe Aufnahmezusagen für 23.614 frühere afghanische Helfer sowie ihre Familien. Mehr als 6.000 Menschen warten demnach noch auf ihre Einreise. Zunächst hatte die "Welt am Sonntag" darüber berichtet.

Bundeswehr ließ viele Ortskräfte zurück

Ende Juni 2021 verließen nach einem Nato-Beschluss die letzten deutschen Streitkräfte das Land. Die Taliban eroberten am 15. August Kabul und übernahmen die Macht. Mitte August wurde die Bundeswehr wieder in Afghanistan eingesetzt, als mehr als 20 Länder am Flughafen Kabul eine Luftbrücke einrichteten, um ihre Staatsangehörigen sowie schutzbedürftige Afghan*innen aus dem Land zu bringen. Viele afghanische Ortskräfte, die für die Bundeswehr und andere deutsche Institutionen gearbeitet hatten, wurden zurückgelassen.

Taliban suchen die Ortskräfte

Nekzai warnte, dass die Taliban die Ortskräfte suchten, weil sie in ihren Augen für "Ungläubige" tätig gewesen seien:

"Wenn sie gefunden werden, haben sie keine Chance auf Leben mehr."

Das Patenschaftsnetzwerk unterstützt die ehemaligen lokalen Helfer der Deutschen. Nekzai, der einst selbst in Afghanistan Ortskraft und Übersetzer im Dienst der Bundeswehr war, hält den Kontakt zu seinen Kollegen. Er erläuterte, dass die Taliban ohne Pass niemanden ausreisen lassen.

Pass für die meisten unbezahlbar

Auf dem Schwarzmarkt koste das Dokument fast 800 Dollar pro Person - für viele unbezahlbar. Immerhin 335 Menschen habe das Netzwerk dank privater Spenden retten können - über den Landweg erst in den Iran und schließlich nach Deutschland.

Nekzai hofft, dass künftig auch Hunderte Afghanen, die vor 2013 Ortskräfte der Bundeswehr waren, eine Aufnahme in Deutschland beantragen können. Die geltenden Regelungen lassen dies nicht zu.