Die Pro-Asyl-Rechtsexpertin Wiebke Judith hat angesichts des Ukraine-Kriegs gemahnt, die sogenannten Ortskräfte und deren Angehörige in Afghanistan nicht zu vergessen. Diese Menschen, die vor Übernahme der Macht durch die Taliban für die vorherige Regierung oder westliche Organisationen gearbeitet hätten, befänden sich "weiterhin zahlreich im Land und in Lebensgefahr", sagte die Juristin der Organisation Pro Asyl mit Blick auf die am Mittwoch (1. Juni) in Würzburg startende Tagung der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern.

Bleiberecht "schnell und großzügig umsetzen"

Judith forderte eine schnelle Reform des derzeitigen Ortskräfteverfahrens sowie die Errichtung von Landes- und Bundesaufnahmeprogrammen. Die im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP angekündigte Bleiberechtsregelungen müssten "schnell und großzügig umgesetzt werden". Der unsichere Status der Duldung beispielsweise bedeute für viele Geflüchtete einen Schwebezustand, verbunden "mit ständiger Angst vor der Abschiebung", sagte die Juristin.

Dabei könnten viele der Betroffenen "auf absehbare Zeit nicht in ihr Herkunftsland zurück", betonte Judith. "Das im Koalitionsvertrag vorgesehene Chancen-Aufenthaltsrecht würde vielen Menschen eine neue Perspektive geben." Doch ohne dessen Umsetzung würden sie weiterhin abgeschoben: "Die Bundesländer könnten dem durch Vorgriffsregelungen entgegenwirken."

Keine Geflüchteten zweiter Klasse

Judith begrüßt, dass für geflüchtete Menschen aus der Ukraine "progressive Regelungen" gelten, die ihnen "einen schnellen Schutzstatus, einen vollwertigen Zugang zu Sozialleistungen und eine frühzeitige Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen".

Es sei aber problematisch, dass diese "sinnvollen Maßnahmen nicht für alle Schutzsuchenden" angewendet werden:

"Es darf keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse geben."

Bei vielen nicht-ukrainischen Geflüchteten werde aktuell "eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft" sowie eine schnelle Integration am Arbeitsmark vertan, sagte sie.

Bleiberecht und Aufnahme jetzt

Pro Asyl und mehrere andere Verbände, wie etwa Jugendliche ohne Grenzen, Bayerischer und Würzburger Flüchtlingsrat rufen für Donnerstag (2. Juni) zu einer großen Demo unter dem Motto "Bleiberecht und Aufnahme jetzt!" in Würzburg auf. Diese startet um 16.30 Uhr am Würzburger Hauptbahnhof und führt dann durch die Innenstadt.