Auch wenn es gerade schick erscheint: Wir müssen nicht darüber diskutieren, ob Katar ein geeignetes Land für ein internationales sportliches Ereignis ist, wenn von diesem gleichsam Signale der Völkerverständigung ausgehen sollen. Katar war schon 2010 ungeeignet als Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft, als es den Zuschlag erhielt. Die Menschenrechte sind in dem autoritär regierten Staat stark eingeschränkt. Besonders für Homosexuelle: Der WM-Botschafter Khalid Salman bezeichnete erst kürzlich unverblümt Homosexualität als "geistigen Schaden".

Hinter dieser WM-Vergabe steckt einmal mehr, und diesmal in besonders skrupelloser Weise, die Gier nach Geld. Die frisst bekanntlich nicht nur Moral, sondern offenbart in diesem Fall auch Scheinheiligkeit.

Medialer Ablass

Das fängt schon im Kleinen an: Fußballfans, die sich im Zwiespalt sehen, ob sie einschalten, können sich medial sogar ein bisschen Ablass gönnen. Indem sie eine der im TV dargebotenen Sondersendungen oder Kurzbeiträge anschauen, in denen man sich über die Verhältnisse in dem arabischen Land empört. Solche Aufschreie fürs Gewissen gab es aber schon bei den Olympischen Sommerspielen 2008 und 2020 in Peking und Tokio oder den Winterspielen 2018 in Pyeongchang und 2022 in Peking. Vollmundig wurde im Vorfeld die "Frage nach den Menschenrechten" gestellt. Kurz nach dem Entzünden der Fackel wollte sich keine Seele mehr darüber öffentlich äußern.

Auch die deutsche Elf lässt die Maske fallen, wenn am 23. November die Nationalmannschaft erstmals gegen Japan aufläuft und Manuel Neuer die Regenbogenarmbinde gegen die farblich dezentere Variante der Antidiskriminierungskampagne "One Love" tauscht. Der Regenbogen wird weltweit von der Szene der Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen sowie anderen Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten als Symbol verwendet. Das wollen die Scheichs nicht sehen, also lieber weg damit, sonst "Rasen betreten verboten". Eigentor der sonst gerne politisch korrekten deutschen Kicker beim Spiel "Glaubwürdigkeit gegen Geld".

Wer ein Zeichen setzen will, der schaltet nicht ein

Vielleicht bietet das Trauerspiel um den Regenbogen somit auch Anlass, sich wieder mal auf seinen biblischen Ursprung als Zeichen des Bunds zwischen Gott und den Menschen zu besinnen.

Wer ein Zeichen setzen will, der schaltet nicht ein. Zwar richtet der Einzelne nichts aus; wenn aber statt ein paar Milliarden plötzlich nur ein paar Millionen Menschen zuschauen, dann würde man die Gründe bei der FIFA oder dem IOC sehr wohl analysieren und seine Schlüsse für die nächsten Vergaben ziehen.