Trotz wachsender Spannungen im Ukraine-Konflikt hält die evangelische Theologin Margot Käßmann an ihren pazifistischen Grundüberzeugungen fest.

"Pazifismus hat das Ziel, Konflikte nicht mit Gewalt zu lösen, sondern durch internationale Vereinbarungen, die die Schwächeren schützen. Aber gerade die Starken verweigern sich diesen Vereinbarungen, das ist das Problem."

Das sagte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Pazifismus bedeute übersetzt "Frieden machen" und gehe weit über die Abwesenheit von Krieg hinaus.

Auch wenn der russische Präsident Wladimir Putin unzweifelhaft ein Kriegsverbrecher sei, der nicht das Recht habe "sich zu nehmen, was er will", dürfe nicht übersehen werden, dass der inzwischen drei Jahre währende, verheerende Krieg in der Ukraine "auch keine zielführende Lösung" sei.

Stets habe es geheißen, die Ukraine müsse diesen Krieg gewinnen oder dürfe ihn zumindest nicht verlieren. "Dass aber täglich in der Ukraine Menschen sterben, seit mehr als drei Jahren, ist eine Tragödie", sagte Käßmann.

Ein Plädoyer für Zusammenarbeit und Frieden

Die ehemalige hannoversche Landesbischöfin betonte, es sei ausdrücklich zu befürworten, dass die Europäer angesichts eines Kurs-Schwenks der US-Administration künftig enger zusammenarbeiten und auf einen Waffenstillstand in der Ukraine hinwirken wollten.

"Aber dass das Heil in militärischer Aufrüstung gesucht wird, halte ich für einen falschen Weg."

Das vergangene Jahrhundert habe gelehrt, dass Frieden nur entstehe, "wenn der mühselige Weg von vertrauensbildenden Maßnahmen, gemeinsamer Abrüstung, Diplomatie und Dialog beschritten wird".

Kritik äußerte Käßmann auch an einem in der Diskussion stehendem Sondervermögen, mit dem Union und SPD zusätzliche Rüstungsausgaben voraussichtlich in dreistelliger Milliardenhöhe finanzieren wollen. Käßmann betonte, bevor derartige Summen bewilligt würden, müsse zunächst diskutiert werden, was Landesverteidigung konkret bedeute, und welcher Bedarf wirklich vorhanden sei.

"Auslandseinsätze und milliardenteure Kriegsschiffe, die durch die Straße von Taiwan fahren, gehören doch wohl eher nicht dazu", betonte sie.

Empörung über den Umgang mit Selenskyj

Käßmann zeigte sich empört über den Umgang von US-Präsident Donald Trump und seinem Vize JD Vance mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

"Mit erhobenem Zeigefinger zu fragen, ob Präsident Selenskyj auch 'Danke' gesagt hat, erinnert an die Ermahnung einer Mutter, wenn ein Kind etwas geschenkt bekommen hat."

Einen Gast behandele man nicht derart demütigend und kommentiere schon gar nicht seine Kleidung oder seine Sprache. Am Freitag vergangener Woche hatten Trump und Vance Selenskyj bei einem Besuch in Washington in lautstarker Weise unter anderem Undankbarkeit und mangelnden Friedenswillen vorgeworfen.

Kommentare

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Florian Meier am Fr, 07.03.2025 - 08:40 Link

Ich würde mir hier mehr Zurückhaltung wünschen. Frau Kässmann muss eh nie in den Krieg ziehen, weiss aber ganz genau, was richtig und falsch ist wie ihre ganze Generation. Das ist aus ihrer Erfahrung heraus mit dem 2. Weltkrieg als dominanter Geschichtserzählung auch etwas verständlich taugt für heute aber gar nichts. Wir werden mit Pro- und Gegenkriegspropaganda geradezu überschwemmt. Dabei gibt es keine letzen Gewissheiten: Krieg ist immer grauslich, Gewaltherrschaft und Folterkeller auch und zum Frieden, der den Namen verdient gehören immer mindestens Zwei. Ich fände es besser auf das ethische Grundgerüst und Wissen der Jugend hinzuwirken als Ihnen ein klares richtig oder falsch vorzugeben, was angenehm aber wenig reflektiert ist, eine Generation beruhigt, die sich gegen die Nazieltern definiert, aber dabei ziemlich viel Zukunft versammelt hat und in Wahrheit das Glück hatte die Frage nach Krieg und Frieden nie wirklich beantworten zu müssen (das mit dem Glück ist sehr ernst gemeint). Die Sofageneräle aus dem anderen Lager sind auch nicht viel besser.