Sterberate von Frauen steigt

Jede neue Untersuchung bestätigt es: In den USA sterben immer mehr Frauen während oder nach einer Entbindung. Zuletzt waren es mehr als 1.000 Gebärende im Jahr, 2021 laut der Zeitschrift des US-Ärzteverbandes ("Jama") fast 33 Mütter pro 100.000 Lebendgeburten. 2019 waren es demnach 17,4, im Jahr 1999 weniger als 13.

In Deutschland liegt die Zahl von 2021 nach Angaben des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) bei 3,5 gestorbenen Müttern pro 100.000 Lebendgeburten.

Ungleichheit in den USA

Am höchsten ist die Müttersterblichkeit in den USA bei schwarzen Frauen oder Ureinwohnerinnen. Dem gesundheitspolitischen Thinktank "Kaiser Family Foundation" (KFF) zufolge liegt sie bei Afroamerikanerinnen dreimal und bei Indigenen zweimal so hoch wie bei weißen Frauen.

Die Müttersterblichkeit sei ein Indikator für die Ungleichheit in den USA, sagte der Arzt und Professor der Washington Universität in Seattle, Gregory Roth. Dabei gehe es auch um die finanzielle Situation der Frauen. Denn etwa die Hälfte der Geburten in den USA werde von der staatlichen Krankenversicherung für Einkommensschwache, Medicaid, bezahlt, erläuterte der Koautor der in "Jama" zitierten Studie. Zu den meisten Todesfällen komme es nach der Geburt. Wer keinen einfachen Zugang zu umfassender medizinischer Versorgung habe, gehe ein hohes Risiko ein.

Bereits vor einem Jahr sprach die Regierung von Präsident Joe Biden von einer Krise der Müttergesundheit und legte einen Plan zur Bekämpfung der Müttersterblichkeit vor. Die USA sollten zum besten Land der Welt werden, um ein Kind zu bekommen, hieß es.

Medicaid solle ausgebaut und die Mütter bis zu einem Jahr nach Entbindung kostenlos medizinisch versorgt werden. Besonders in ländlichen Gegenden solle in Kapazitäten und Personal investiert, landesweit bessere Daten erhoben und mehr medizinisches Fachpersonal wie Hebammen ausgebildet werden.

Großteil der Tode vermeidbar

Nach Einschätzung der Professorin für Krankenpflege, Monica McLemore, ist ein Großteil der Todesfälle bei oder nach Entbindungen vermeidbar. Oft würden Frauen individuell verantwortlich gemacht, etwa weil sie übergewichtig seien oder in schlechtem Gesundheitszustand, erläuterte die Expertin in einem Interview mit "Jama".

In Wirklichkeit sei Müttersterblichkeit ein gesellschaftliches Problem. Ob Frauen Zugang hätten zu gesunder Ernährung und einer Krankenversicherung, sei eine politische und strukturelle Frage.

Signifikante Unterschiede zwischen der schwarzen und weißen Bevölkerung

Die "Kaiser Family Foundation" warnt ebenfalls, dass die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit in den USA zur Diskrepanz bei der Gesundheitsversorgung beiträgt. Das sei besonders während der Corona-Pandemie deutlich geworden. Gesundheitsstatistiken zeigen signifikante Unterschiede zwischen der schwarzen und weißen Bevölkerung. Nach Regierungsstatistiken lag die Lebenserwartung von Weißen 2021 durchschnittlich bei 76,4 Jahren, von Schwarzen bei 70,8 Jahren.

Diese wirtschaftlichen Unterschiede zeigten sich gerade auch bei Herz- und Gefäßerkrankungen wie hohem Blutdruck und Thrombosen, erläuterte Gregory Roth. Zugleich gehörten solche Leiden zu den Hauptursachen für Müttersterblichkeit.

Plan zur Bekämpfung in den USA nicht gesichert

Bidens Vorhaben ist alles andere als gesichert. Denn die US-Regierung erhöhte die Zuwendungen für Medicaid, die von der Zentralregierung und den 50 Bundesstaaten finanziert wird, zu Beginn der Corona-Pandemie 2020. Im Gegenzug durften die Staaten niemandem die Bezüge streichen. Doch seit Mai ist der Corona-Notstand vorüber und die Staaten fangen an, Empfängern Leistungen zu verweigern. Eine Studie des Gesundheitsministeriums warnte bereits im Sommer 2022, etwa fünfzehn Millionen Empfänger könnten Medicaid verlieren.

Zugleich hat das Anti-Abtreibungsurteil des Obersten Gerichts im Juni 2022 in Teilen der Republikanischen Partei die Diskussion über Hilfsprogramme belebt. Abtreibungsgegner wehren sich gegen Vorwürfe, sie interessierten sich nicht für die Frauen, die nicht abtreiben könnten, und deren Kinder. Mehrere republikanisch regierte Staaten haben deshalb den Medicaid-Schutz für Frauen nach der Entbindung und für Babys verlängert.

Müttersterblichkeit in Deutschland

Bereits im September 2019 warnte die Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. davor, dass die Unterversorgung in der Geburtshilfe sich verschärfen könnte. Die gesundheitliche Begleitung von Schwangeren vor und nach der Geburt durch Hebammen trage wie die durch Ärzt*innen wesentlich zur Reduktion mütterlicher und kindlicher Morbidität und Mortalität bei.

Die fortwährende Verschlechterung der Geburtshilfe in Deutschland werde hervorgerufen durch einen Mangel an Hebammen sowie Kreißsälen, aber auch durch die Überlastung von Ärzt*innen und Hebammen.

Auch der Druck medizinischer Einrichtungen, rentable zu sein, wirkt sich auf die Qualität der Geburtshilfe aus. Mit einer Landkarte der Kreißsaalschließungen und einer Landkarte der Unterversorgung mit Meldeoption versucht der Deutscher Hebammen Verband e.V. auf die Prekarisierung aufmerksam zu machen. In Deutschland fehlt infolgedessen in erster Linie die fachliche Betreuung.

Mangelnde fachliche Betreuung

Auch in Europa ist nicht nur für jüngere und ältere Frauen das Risiko im Kontext der Geburt zu versterben besonders hoch, sondern insbesondere Angehörige ethnischer Minderheiten haben ein erheblich höheres Risiko.

Im weltweiten Vergleich sank die Müttersterblichkeit in Deutschland zwar seit Mitte des 20. Jahrhunderts laut Statistisches Bundesamt kontinuierlich, doch weltweit stieg speziell während der Corona-Pandemie die Müttersterblichkeit auf teilweise bis zu 30 Prozent. Die Überlastung der Klinken und Fokussierung auf COVID-19 Patienten schränkte die Gesundheitsversorgung der Gebärenden erheblich ein: Eine indirekte Auswirkung der Pandemie ist somit auch eine erhöhte Sterblichkeit von Frauen, denn trotz der vielfältigen Gründe der Sterblichkeit sind diese mehrheitlich auf eine unzureichende medizinische Versorgung oder Geburtsbegleitung zurückzuführen.

Die WHO zählt auch deshalb die Reduzierung der Müttersterblichkeit zu ihrem Ziel des "Good Health and Wellbeing".

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