Feierabendverkehr in Kenias Hauptstadt Nairobi. Zwischen den bunten Kleinbussen und unzähligen Motorradtaxis wiegen sich zwei Kamele durch das Gedränge. Kamele sind Anpassungskünstler, sie kommen fast überall klar. Überlebenswichtig ist das aber nicht in Nairobi, sondern im Norden Kenias, wo Dürren den nomadischen Viehhirten zu schaffen machen und in den vergangenen Jahren tausende Rinder infolge der Trockenheit gestorben sind. Kamele hingegen sind an Trockenzeiten angepasst. Je weiter nördlich man fährt, desto mehr sieht man. In den oft trockenen Sträuchern am Straßenrand suchen sie nach Essbarem.

Kamele werden zu Helden 

Kamele, zu denen auch Tiere wie Alpakas zählen, seien die

"Helden der Wüste und des Hochlands",

erklärt die Welternährungsorganisation FAO. Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2024 zum "Jahr der Kamele" erklärt:

Die Tiere seien für Millionen Familien in mehr als 90 Ländern der Welt der Schlüssel, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Sie liefern Wolle und Milch, sind Last- und Tragetiere und ihr Dung ist wertvoller Dünger.

Zwischen 35 und 40 Millionen Kameliden gibt es weltweit. Dazu gehören einhöckerige Dromedare, ursprünglich aus dem arabischen Raum, und zweihöckerige Trampeltiere, die ihren Ursprung in Zentralasien haben. Dort haben sie über Jahrhunderte den Handel durch Wüsten erst möglich gemacht. Aber auch Lamas, Alpakas, Vicuñas und Guanacos in Lateinamerika sind Kamelarten. Dort leben sie vor allem im Hochland, sind kleiner als die herkömmlichen Kamele. Aus ihrer Wolle entstehen Pullover, die in den kalten Bergnächten wärmen.

Tiere der Zukunft 

Heute findet man die meisten Kamele auf dem afrikanischen Kontinent, etwa neuneinhalb Millionen gibt es allein im Tschad, Kenia steht mit geschätzten viereinhalb Millionen an vierter Stelle weltweit. "Kamele sind die Tiere der Zukunft", sagt Khalif Abey von der Kenya Camel Association. Es gebe kein Nutztier, das sich so gut an extreme Klimabedingungen anpassen könne. Er ist mit Kamelen aufgewachsen, sie haben seine Schulgebühren finanziert. Heute hat er selbst 35 Kamele in Isiolo, knapp 300 Kilometer nordöstlich von Nairobi.

Weil Kamele als einzige Säugetiere ovale statt runde rote Blutkörperchen haben, können sie viel Wasser in kurzer Zeit aufnehmen, ohne Gefahr zu laufen, an zu hohem Sauerstoffgehalt zu sterben. Und weil ihre Nieren besonders strukturiert sind, können sie das Wasser auch besser speichern. In den Höckern lagern sie Fettgewebe an, auf das sie zurückgreifen können, wenn nicht genug Gras und Blätter zum Fressen zu finden sind. Sogar Dornen und salzhaltige Pflanzen vertragen die Tiere, deren Körpertemperatur je nach Umgebung um mehrere Grade schwanken kann.

Lebensunterhalt ist von den Tieren abhängig 

Etwa 10 bis 15 Millionen Menschen in Kenia sind für ihren Lebensunterhalt von Kamelen abhängig. "Kamele sind besonders freundlich und fügsam", sagt Abey. Eine Kamelstute kostet in Kenia etwa 1.000 Euro. Ist sie schwanger, dauert es etwa ein Jahr, bis das Fohlen zur Welt kommt. Das ostafrikanische Land ist auch der größte Kamelmilchproduzent. Es ist eine wachsende Industrie. Mittlerweile gibt es die Milch in jedem Supermarkt in Nairobi, das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft.

Kamelmilch hat weniger Fett und Zucker als Kuhmilch. Dafür ist der Vitamingehalt höher. Bei den nomadisch lebenden Hirten im Norden von Kenia macht die Kamelmilch 30 Prozent der Kalorien aus, die sie zu sich nehmen. "Das weiße Gold der Wüste", nennt Abey die Kamelmilch. Weil es in den Gegenden im Norden, wo die Hirten mit ihren Kamelen unterwegs sind, aber kaum geteerte Straßen und oft auch keinen Strom gibt, ist es kompliziert, die Milch an große Abnehmer zu liefern. Bisher erreichen nur etwa 20 Prozent der verfügbaren Milch den Markt.

"Die Regierung muss dringend in Infrastruktur investieren", sagt Abey. Nomadische Hirten würden in der Politik oft außen vor gelassen, besonders bei der Planung von Landnutzung. Weideland, das Nomaden seit Jahrhunderten im Einklang mit der Natur bewirtschafteten, werde für Öl- und Gasbohrungen freigegeben, ohne die Hirten und ihren Anspruch auf das Land in Entscheidungen einzubeziehen, berichtet der Entwicklungs-Experte.

Abey erklärt, dass Kamele bisher nur wenig erforscht seien. Ziel sei es deshalb, gemeinsam aus indigenem, traditionellen Wissen und wissenschaftlicher Forschung Einsichten zu gewinnen, die in Zukunft dabei helfen könnten, Kamele zu halten und zu schützen. Gemeinsam mit Organisationen in anderen afrikanischen Ländern arbeitet Abey seit Jahren daran, die Tiere in neuen Regionen einzuführen. Die Zukunft der Kamele fängt erst an.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden

Sonnenblume am So, 31.12.2023 - 11:04 Link

ich schlage Kamele als neue Dienstfahrzeuge vor. Wenn Mist gebaut wird, sind die Kamele schuld.