Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) beklagt: Geld für eine ausreichend gut ausgebaute Suchthilfe fehle seit Jahrzehnten. "Die Problematik spitzt sich aktuell aufgrund der schwierigen finanziellen Situation vieler Kommunen sowie aufgrund der Preissteigerungen bei den Personalkosten, den Mieten und der Energie weiter zu", heißt es in einem Eckpunktepapier der DHS zur Suchtberatung.

Weil in dieser Lage nun auch noch Kürzungen im Bundeshaushalt im kommenden Jahr drohen, warnen Experten vor einem Abbau an Beratungs- und Hilfsangeboten für Suchtkranke. "Die Träger werden Personal reduzieren und Suchtberatungsstellen mancherorts ganz schließen müssen", sagt die Landesstelle für Suchtfragen in Baden-Württemberg voraus. Der Bundesetat mit dem Titel "Aufklärungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs" soll nach aktuellen Plänen massiv gekürzt werden: von derzeit 13,2 Millionen Euro auf 9,2 Millionen Euro im Jahr 2024.

Verbände: Geldmittel werden auf falscher Grundlage bereitgestellt

Die Suchtberatung fällt nach dem Sozialstaatsprinzip unter die kommunale Daseinsvorsorge und wird durch Steuermittel von Bund und Ländern finanziert. Verbände kritisieren, dass die Höhe und Verwendung der Geldmittel jedoch auf einer politischen Entscheidung und nicht auf der Grundlage des tatsächlich festgestellten Bedarfs beruhe.

Geld für Suchtberatung sei eine gute Investition, betont Heike Timmen, Suchthilfereferentin beim AWO-Bundesverband. "Für jeden eingesetzten Euro können 17 Euro an Folgekosten eingespart werden", sagt sie. In den rund 1.400 Suchtberatungsstellen bundesweit würden jährlich etwa 500.000 Abhängigkeitskranke beraten.

Wie schnell und wie häufig ein Suchtkranker Hilfe erhält, hänge allerdings davon ab, wo er lebt: "Es gibt Regionen, in denen eine Fachkraft für bis zu 70.000 Personen zuständig ist." Timmen fordert eine Suchtfachkraft pro 10.000 Einwohner.

Kosten steigen, Förderung nicht

Der Verein "Suchtberatung" im baden-württembergischen Weinheim unterstützt derzeit mehr als 600 Abhängige und ihre Angehörige. Der Leiter des Vereins, Paul Jöst, findet es unverständlich, dass das Land Baden-Württemberg nicht mehr in Suchtberatung investiert: "Die Förderung hat sich für uns seit 2002 fast nicht verändert." Dabei seien die Kosten in vielen Bereichen deutlich gestiegen.

Corinna Mäder-Linke, Geschäftsführerin des Bundesverbands Suchthilfe in Kassel, nennt es "fatal", dass "Suchtberatungsstellen finanziell sehr schlecht ausgestattet sind". Denn Suchtberatungsstellen seien "so wichtig, weil sie das System der Suchthilfe quasi zusammenhalten". Ohne sie würden viel weniger Drogenabhängige in eine Suchtklinik vermittelt.

Suchtberatungsstellen seien stark ausgelastet, sagt Christina Rummel, Geschäftsführerin der in Hamm angesiedelten Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Dennoch erhielten keineswegs alle Menschen mit problematischem Konsum von legalen oder illegalen Drogen Hilfe. Es würde vielmehr nur ein kleiner Teil der Betroffenen erreicht. Ohne ausreichende Unterstützung liefen Suchtkranke jedoch Gefahr, zu verelenden und im schlimmsten Fall zu sterben.

Chronisch unterfinanziert

Laut Rummel sind Suchtberatungsstellen "chronisch unterfinanziert". Beratungsstellen seien am Limit. Die DHS fordert vor diesem Hintergrund einen Rechtsanspruch auf Suchtberatung. Suchtberatung müsse eine Pflichtleistung der kommunalen Daseinsvorsorge werden.

Hilde Rainer-Münch, Suchtreferentin beim bayerischen Landesverband der Caritas, sagt, zur mangelnden Finanzierung geselle sich nun auch an Mangel an Fachkräften. "Der macht vor der Suchthilfe nicht Halt."

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