Insgesamt stieg die Quote kaum: Während der Lockdowns 2020 und 2021 spielten nicht viel mehr Menschen als sonst Online-Glücksspiele. "Viele Risikospieler allerdings spielten im Vergleich deutlich länger und häufiger", sagt Johanna Loy, die sich am Institut für Therapieforschung (IFT) in München mit "Online-Gambling während der Covid-19-Pandemie" befasst. Erste Ergebnisse wird sie beim 12. Bayerischen Fachkongress Glücksspielsucht am 13. Juli in München vorstellen.

Glücksspiel macht Arbeit oft zur Nebensache

Menschen, die viel Alkohol trinken, tun dies häufig nach einem bestimmten Ritual. Etwa nach Feierabend. Das Gefährliche beim Glücksspiel ist laut Loy, dass die Sucht rund um die Uhr befriedigt werden kann. "Spieler spielen nicht selten neben der Arbeit, wobei es irgendwann so weit kommen kann, dass die Arbeit eher Nebensache wird und das Spielen dominiert", sagt sie. So wächst die Gefahr von Verschuldung:

"Hinzu kommen Schwierigkeiten in der Partnerschaft und in der Familie."

Die Problematik der Glücksspielsucht verharre auf einem hohen Niveau.

Bei seiner letzten Sitzung vor der parlamentarischen Sommerpause vor einem Jahr hatte der Bundesrat den Weg für ein modernisiertes Rennwett- und Lotteriegesetz freigemacht. Seitdem werden Online-Poker und virtuelle Automatenspiele genauso besteuert wie vergleichbare andere Glücksspielformen. Das bis dahin verbotene Online-Spielangebot wurde, wie es der Glücksspielstaatsvertrag vorsieht, in die Legalität überführt.

Es fehlt an Kontrollen

Im Staatsvertrag gibt es laut Loy viele gute Regelungen zum Spielerschutz. Aktuell fehle es jedoch an Kontrollen. Dies liege unter anderem daran, dass sich die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder mit Sitz in Halle auch ein Jahr nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags noch immer im Aufbau befindet. Die Aufbauphase wird sich nach Angaben der Behörde noch bis Jahresende hinziehen. Die Sozialwissenschaftlerin hofft, dass der Spielerschutz ab 2023 effektiv durchgesetzt wird. Außerdem würde sie sich ein Werbeverbot für Glücksspiele wünschen.

Glücksspieler mit Familie ziehen ungewollt ihre Kinder in die Suchtproblematik mit hinein. Die Frage, welchen Belastungen Jungen und Mädchen genau ausgesetzt sind, wird beim Fachkongress laut Sabine Härtl von der Bayerischen Akademie für Sucht und Gesundheitsfragen (BAS) ebenfalls breiten Raum einnehmen. Klar ist laut der Münchner Soziologin, dass Kinder mit einem pathologisch spielenden Elternteil sowohl auf emotionaler und psychischer wie auch auf gesellschaftlicher Ebene "mit immensen Herausforderungen" konfrontiert sind.

Kinder benötigen am Lebensbeginn Geborgenheit

Um später als Erwachsene privat und beruflich gut vorwärtszukommen, benötigen Kinder am Lebensbeginn Geborgenheit und Sicherheit. Beides fehlt laut Sabine Härtl oft in Familien mit einem pathologisch spielenden Elternteil. Die Kinder können gleichzeitig unter sozialer Ausgrenzung leiden. Schließlich steigt laut der wissenschaftlichen Mitarbeiterin bei der BAS die Gefahr, selbst suchtkrank zu werden. Die Akademie entwickelt gerade ein Kinderbuch, das betroffene Kinder auf altersgerechte Art und Weise unterstützen soll.

Die Glücksspieler selbst leiden unter einem Umfeld, das sie einfach nicht verstehen kann, ergänzt Johanna Loy. "Hör halt auf!", ist ein Satz, den sie häufig zu hören bekommen. Dabei wird übersehen, dass es sich um eine Suchterkrankung handelt. Oft litten die Betroffenen noch an weiteren seelischen Störungen, etwa an Depression oder einer Alkoholabhängigkeit.

In Bayern gibt es laut Angaben des Gesundheitsministeriums vom Donnerstag (7. Juli) rund 32.000 Menschen mit pathologischem Glücksspielverhalten. Dazu kämen etwa 34.000 Personen mit problematischem Spielverhalten.