Der erste Morgen beim Fasten ist der schwerste. Kaffee? Brötchen? Nein. Wasser und etwas Obst. Und gleich ist er da, der Gedanke. "Reicht das wirklich? Werde ich nicht gleich umkippen vor Schwäche?" Irrational und wenig glaubwürdig, sicher, aber dennoch da, irgendwo im Hinterkopf, hartnäckig.

Danielfasten: Wasser und Gemüse

Ich habe mich für eine Woche Danielfasten entschieden. Das geht auf den Propheten Daniel zurück, der in der babylonischen Gefangenschaft kein unkoscheres Essen zu sich nehmen wollte und nur Gemüse und Wasser zu sich nahm. Konkret bedeutet es: Nur gekochtes Gemüse und frisches Obst, viel Wasser, nichts Gebratenes, kein Fleisch, kein Fisch, keine Süßigkeiten. Kein Alkohol. Keine Softdrinks mit Zucker.

Warum ausgerechnet Danielfasten? Keine Ahnung. Mich hat das einfach beeindruckt, wie der Prophet sich auch in Gefangenschaft unbeirrt an seine Überzeugungen und seinen Glauben hält. Und Fasten als spirituelle Technik hat mich schon immer fasziniert. Bisher hatte ich aber kaum eigene Erfahrungen damit. 

Überall lauern Fallen

Schon im Büro lauert der nächste Fallstrick: Die Kollegin hat beim Bäcker süße Stückchen gekauft, von denen sie großzügig anbietet. Es fällt mir schwer, entgegen der sonstigen Gewohnheit abzulehnen. Noch fordert die Gewohnheit ständig ihr Recht, ihr Gewohnheitsrecht: Ein paar Kekse hier, etwas Schokolade da, und zum Mittag natürlich Fleisch oder Fisch oder immerhin Gebratenes. 

Während meine Kolleginnen mittags genau das in einem nahegelegenen Restaurant essen, packe ich mein mitgebrachtes Mahl aus und wärme es in der Büroküche auf. Gekochte Auberginen, gekochte Tomaten, gekochte Rüben, gekochte Zucchini und etwas gekochten Reis. Hätte ich die freie Wahl, würde ich das kaum als angemessenes Mittagessen betrachten, aber das hier sind eben besondere Umstände. Ich stochere mit der Gabel darin herum und denke daran, dass heute Abend nochmal dasselbe auf mich wartet.

Geist macht sich locker

Doch schon am zweiten, spätestens am dritten Tag ist der Impuls, ständig überall Mangel zu sehen, weg. Mein Geist hat sich auf die neue Ernährungssituation eingestellt, er macht sich langsam locker. Ich fühle mich irgendwie leichter, weniger vom ständigen Gedanken getrieben, was ich wohl als Nächstes essen oder snacken könnte. Sonst beherrscht dieses Motiv große Teile meines Alltags, wie ich nun feststelle. Nicht immer vordergründig, oft unbewusst, aber doch beinahe ständig. 

Auch interessant: Fast alle, denen ich erzähle, dass ich gerade faste, ordnen das als körperliche Sache ein. Gut zum Abnehmen. "Ich will ja auch gerne ein paar Kilos loswerden." Darum geht es mir aber nicht. Auch nicht darum, dass Fleisch, Alkohol und Zucker ungesund sind. Äußerliche Selbstoptimierung liegt mir ausnahmsweise einmal fern. Ich will offener werden, meinen Geist freimachen, Bedürfnisse ablegen oder überwinden, die eher Gewohnheiten sind. Parallel lese ich das Buch Daniel, weil es zum Thema passt.

Wo sind die Löwen?

Nach einer Woche fühle ich mich richtig gut. Ich könnte jetzt einfach so weitermachen, ohne Fleisch, ohne Gebratenes, mit viel Gemüse, Obst und Wasser. Ich würde es sogar, wie Daniel, mit Löwen aufnehmen – jedenfalls theoretisch.

Doch in der Praxis beende ich das Fasten planmäßig. Ich will es schließlich auch nicht übertreiben. 

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