Welche Ziele hat das Muslimische Bildungswerk Bayern?
Belmin Mehic: Das Muslimische Bildungswerk Bayern wurde vor drei Jahren in Erlangen initiiert und startet jetzt auf Bayernebene. Wir sehen das Bildungswerk als eine Straße mit zwei Richtungen. Die eine Richtung ist, Bildungsangebote aus der Stadtgesellschaft in die Gemeindearbeit aufzunehmen. Die zweite Richtung ist der Dialog, also Impulse aus den Moscheegemeinden in die Stadtgesellschaft hinein zu tragen.
Sie wollen muslimische Menschen sichtbarer machen?
Ja, das Muslimische Bildungswerk will die Muslime auch dazu ermutigen, mehr in den gesellschaftlichen Diskurs involviert zu sein. Wir wollen den muslimischen Bürgerinnen und Bürgern einen Impuls geben, sie sollen nicht nur konsumieren, sondern auch die gesamtgesellschaftlichen Themen mitgestalten. Und es geht auch darum, durch Bildung Horizonte zu erweitern, neue Perspektive zu schaffen.
"Wir sind eine Plattform zum Austausch von Ideen und Impulsen, die zum gesellschaftlichen Wohl beitragen."
An wen richten sich Ihre Bildungsangebote denn?
Sie richten sich sowohl an muslimische Gemeindemitglieder als auch an alle interessierten Bürgerinnen und Bürger. Wir verstehen uns als eine Ergänzung zu den bestehenden Angeboten, die beispielsweise in den Moscheegemeinden zu finden sind. Aber wir sind auch eine weitere Plattform zum Austausch von Ideen und Impulsen, die zum gesellschaftlichen Wohl beitragen.
Muslimisches Bildungswerk Bayern
Im Mai 2018 wurde das muslimische Bildungswerk als lokales Projekt in Erlangen gegründet. Angeregt durch die langjährige Arbeit der Christlich-Islamischen Arbeitsgemeinschaft und des Freundeskreises der muslimischen Gemeinden in Erlangen wurde der Grundstein zu einer muslimischen Bildungsplattform gelegt.
Das muslimische Bildungswerk versteht sich als Brücke zwischen Gemeindearbeit und wissenschaftlich basierter, inhaltlich fundierter Aufklärungsarbeit.
Im Jahre 2022 fand die Gründung des Vereins Muslimisches Bildungswerk Bayern e.V. statt. Als solches agiert das Muslimischen Bildungswerk an den Standorten Augsburg, Erlangen, München und Regensburg.
Sehen Sie es auch als Ihre Aufgabe, Vorurteile gegen muslimische Menschen abzubauen
Zu unseren Aufgaben gehört sicherlich auch Aufklärungsarbeit. Aber wir wollen unseren Beitrag zum Verständnis zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen leisten. Es geht also um den Dialog. Und dieser Dialog soll die gemeinsamen Werte der Bildung, Demokratie, Menschenwürde, Bewahrung der Schöpfung berühren.
"Was hat der Islam zum Thema Umwelt zu sagen? Das ist ein Thema, das uns gerade alle beschäftigt."
Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?
Zum Beispiel: Was hat der Islam zum Thema Umwelt zu sagen? Das ist ein Thema, das uns gerade alle beschäftigt. Oder zum Thema Gleichberechtigung der Geschlechter? Zum Thema Menschenrechte? Das sind Themen, zu denen auch die Muslime ihren Beitrag leisten können und wovon auch die Gesamtgesellschaft profitieren kann.
Haben Sie das Gefühl, dass die Gesamtgesellschaft dafür offen ist?
Wir sind mit unserer Arbeit noch nicht richtig gestartet, zumindest in München, sind aber schon auf eine große Kooperationsbereitschaft von anderen Bildungsinstitutionen gestoßen, wie zum Beispiel der Evangelischen Akademie, der Volkshochschule München, der Domberg-Akademie oder dem Münchenstift. Und all dies zeigt, dass eine gesellschaftliche Bereitschaft besteht, ein solches Projekt mit offenen Armen aufzunehmen. Wir spüren eine positive Resonanz von der Stadtgesellschaft. Und das gibt uns Freude und Motivation, mit unserer Arbeit weiterzumachen.
In sozialen Medien verbreiten selbsternannte islamische Prediger oft krude Ansichten. Was setzen Sie dem entgegen?
Tatsächlich ist das Online-Leben ein neues Phänomen, welches neue Umgangsweise erfordert. Die Internet-Szene wird von salafistischen Strömungen dominiert. Und da stehen die Imame, die Moscheegemeinden und die Bildungsinstitutionen vor einer großen Herausforderung. Es ist eben Realität, dass immer mehr junge Menschen ihre Antworten online suchen, dementsprechend tragen wir eine Verantwortung, uns stärker in diesem Bereich zu engagieren und entsprechende Angebote zu liefern.
"Die Muslime brauchen mehr Sichtbarkeit in dieser Gesellschaft."
Wie anfällig, glauben Sie, sind junge Leute dann für solche salafistischen Inhalte, auch angesichts der vielen sich überlagernden Krisen in Deutschland?
Es zeigt sich, wie wichtig es ist, repräsentative Moscheegemeinden in der Stadtgesellschaft zu haben. Mir nicht bekannt ist, dass jemand sich in einer repräsentativen Moschee radikalisiert hat. Deswegen ist die Arbeit des Bildungswerkes oder des Münchner Forums für Islam, wo ich als Imam tätig bin, und anderen repräsentativen, sichtbaren Moscheegemeinden sehr wichtig. Die Muslime brauchen mehr Sichtbarkeit in dieser Gesellschaft. Es sollte eine Bereitschaft bestehen, offen zu der Gesellschaft zu sein. Aber gleichzeitig sollte es auch eine gewisse Akzeptanz von der Gesamtgesellschaft geben.
Was ist Ihre größte Hoffnung für 2023 mit dem Muslimischen Bildungswerk in München?
Wir befinden uns immer noch in einer Aufbauphase. Nächstes Jahr werden wir erstmal versuchen, sozusagen unsere Beine zu finden. Und wenn wir es am Ende des Tages geschafft haben, zu einer gesellschaftlichen Harmonie beizutragen, wenn wir uns gegenseitig zur gesellschaftlichen Teilhabe ermutigt haben, dann finde ich, dass dieses Projekt seinen Sinn erfüllt haben wird. Man sollte uns weiterhin Aufmerksamkeit schenken. Und nicht zuletzt sollten die Leute auf uns zukommen: Wir sind für Kooperationspartner offen.