Die evangelische Theologin Agnes Schmidt beschäftigt sich in ihrer Reihe PrayerLab intensiv mit dem Thema Meditation. Ihre Anleitungen sollen helfen, einen Zugang zu Religion und Spiritualität zu finden.
Eine protestantische Variante des Bibellesens und Betens ist Luthers berühmter Vierschritt: Lectio - Meditatio - Oratio - Tentatio. Es ist eine Abwandlung der klassisch mittelalterlichen Form der Lectio Divina.
Standardmäßig wird ein Bibeltext (lectio) zur Grundlage eines gesprochenen oder inneren Gebets (oratio), dann wird dieser Text mit dem Verstand durchdrungen (meditiert). Im vierten Schritt folgt Luthers Abwandlung: Anstatt zur "contemplatio", also der Kontemplation, überzugehen, ersetzt Luther diesen Schritt durch die "Tentatio", was er die Anfechtung nennt.
Nach Luther bewahrheitet sich ein starker Glauben im Leben, nicht im Gebet. Ein stärkender positiver Glaubensinhalt soll uns als Ressource dienen, wenn es ungemütlich wird: im Streit mit dem Partner, bei Krankheit, im grauen Alltag und Ungewissheit.
Hier kommt eine Anleitung an einem Beispieltext aus der Bibel. Nimm Dir für eine Übung etwa 10 Minuten Zeit und setze Dich an einen Ort, an dem Du ungestört sein kannst.
1. Lesen
Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach:"Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. "Johannes 8,12 (Luther 2017)
Ich lese den Text mehrfach und beschäftige mich mit den Details in der Formulierung. Welche Satzteile fallen mir besonders auf? Welche Gedanken und Emotionen kommen bei mir auf durch diesen Text? Ich formuliere innerlich, was mich begeistert, irritiert, anregt oder ärgert.
2. Meditieren
Meditieren meint nachdenken und reflektieren. Ich nehme mir Zeit und denke über den Sinn des Verses nach. Was erzeugt Spannungen? Was irritiert mich? Wie verstehe ich den Text? Wenn ich über Situationen in meinem Leben nachdenke, die voller Licht oder voller Finsternis waren - was sagt mir dieser Text für diese Situationen?
3. Gebet
Ich stelle mir vor, dass Gott mir liebevoll und ermutigend zuhört. Was würde ich in diesem Moment ihm gegenüber gerne ausdrücken? Ich habe hier einen Ort, um meine Trauer und meinen Schmerz auszudrücken, aber auch Dankbarkeit und Freude oder offene Fragen und Kritik - denn ich habe das Wissen, dass Gott liebevoll bei mir ist. Was würde Gott mir antworten? Hier kann ich gedanklich auch einen Dialog führen mit der Person aus der Bibel. Ich beende das Gebet, indem ich Gott gegenüber meine Dankbarkeit ausdrücke.
4. Tentatio
Gibt es eine Erkenntnis oder etwas Stärkendes, dass ich aus dieser Zeit mitnehme? Ich fasse es knapp in Worte und halte es schriftlich fest. Nun überlege ich Situationen, die mich das Gegenteil erleben lassen. Situationen, in denen es mir schwerfallen würde, an dem jetzt erkannten festzuhalten. Ich stelle mir vor, wie mein innerer Dialog aussehen könnte, um von der hoffnungsvollen Perspektive zu profitieren. Wie kann ich das heute gelernte situativ so formulieren, dass es zu meinem Alltagserleben passt und sich bewahrheiten kann?
Nach dem Ausprobieren dieser Methode reflektiere ich kurz:
- Was hat mir gefallen?
- Was nicht?
- Wie kann diese Methode meinen Alltag bereichern?
Hinterlasse gerne in den Kommentaren, was Dir wichtig geworden ist.
Bis zum nächsten Mal!
Deine Agnes
PrayerLab: Anleitungen für Gebet und Meditation mit der Bibel
Unsere Reihe "PrayerLab" bietet Euch konkrete Anleitungen und Methoden: Wie kann ich beten einüben? Wie kann ich mit der Bibel meditieren? Wir stellen Euch konkrete Methoden vor, erklären die historische Entstehung und geben Euch eine praktische Anleitung.
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