Ist genug Baguette im Picknickkorb? Reicht der Nudelsalat? Und der Brotaufstrich mit geräuchertem Lachs? Wasser und Weißwein in der Kühlbox, die große Picknickdecke - und zwei Klappstühle für die, die nicht direkt auf der Wiese sitzen wollen…

Ein Picknick… manchmal mit Tausenden, die sich in Nürnberg im Juli endlich wieder zum Klassic Open Air im Luitpoldhain treffen, mit Großfamilien im Park, wo sich der Rauch der Grillfeuer über die Wiesen legt wie leichter Nebel - oder mit ein paar Freunden am See, in der Bucht, die außer uns keiner kennt…. so fühlt sich der Sommer an in der Stadt oder irgendwo draußen im Grünen.

Wenn ich mir das so vorstelle, würde ich auch gerne unter denen sein, die sich auf einer Wiese am Berg lagern. Komm doch mit, haben manche gesagt. Da ist einer, der wendet sich Menschen zu, der ist da für sie, redet mit ihnen, sieht sie und segnet sie…. Komm einfach mit. Und am Ende des Tages sitzen dann alle zusammen, lassen nachklingen, was sie gesehen und gehört haben und teilen das Brot und den Fisch und was sie sonst so dabei haben… Ein Fest auf der Wiese…  Una festa sui prati, singt Adriano Celentano, belegte Brötchen, Wein, Gelächter…

Im Johannesevangelium wird von so einem Picknick erzählt: 

Jesus ging weg ans andere Ufer des Galiläischen Meeres, das auch See von Tiberias heißt.
Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat.
Jesus aber ging hinauf auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern.
Es war aber kurz vor dem Passa, dem Fest der Juden.
Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt und spricht zu Phi-lippus: 
Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben? Das sagte er aber, um ihn zu prüfen, denn er wusste wohl, was er tun wollte. Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder auch nur ein wenig bekomme. Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: Es ist ein kleiner Junge hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das für so viele?
Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort.
Da lagerten sich etwa fünftausend Männer. Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen soviel sie wollten. Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt. Da sammelten sie und füllten 12 Körbe mit Brocken von den 5 Gerstenbroten, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren.
Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll. 

Reicht das, was wir haben, wirklich für alle? Die sommerliche Unbekümmertheit ist nur die eine Seite. Jeder weiß, dass sich ein Picknick nicht einfach von selber organisiert. Je mehr Leute, desto mehr Gedanken muss man sich machen. 

Schaut Euch diese Menge an: Männer, Frauen, Kinder…. Wie sollen wir die alle sattkriegen? Das wird richtig teuer, wer kann sich das noch leisten? Ein Junge hier hat fünf Brote und ein bisschen Fisch… aber das reicht doch nie…. Das kleine Gespräch zwischen Jesus und seinen Jüngern klingt auf einmal sehr vertraut. Da geht es um die bedrängende Frage: Reicht das, was wir haben wirklich für alle?

Die Journalistin Petra Pinzler hat das vor einiger Zeit mal sehr plastisch formuliert "Wir haben eine Mensch Naturkrise. Wir haben das Problem mit …. dem Boden der so nicht mehr da ist, wo wir immer mehr Leute haben, die immer mehr Eigenheime auf immer weniger Wiesen bauen wollen, also wir haben zu wenig an Planeten für Menschen, die immer mehr davon wollen." (1)

Stimmt das wirklich? Ist die Erde zu klein geworden für die Menschen, die darauf leben? ….

Vor 40 Jahren hat die amerikanische LandArt-Künstlerin Agnes Denes auf einem Schuttgrundstück mitten in Manhattan ein 8000 qm großes Weizenfeld angepflanzt. Plötzlich wuchs da zwischen den Wolkenkratzer der Weizen, erst sah man die zarten grünen Blätter, dann die silbrigen Halme, schließlich wogten volle goldene Ähren. Es war, als wäre man auf dem Land, sagte einer. Man konnte die Natur riechen, wenn man aus dem Haus trat. Ein Weizenfeld mitten an dem Ort, der der Inbegriff des Kapitalismus ist und dessen Boden unbezahlbar. 

Agnes Denes wollte zum Nachdenken herausfordern über Nahrung, Energie und Welthandel, und damit auch über Verschwendung, Missmanagement und Hunger. Anschließend hat sie die geernteten Körner an Museen in der ganzen Welt geschickt als Beitrag zu einer Ausstellung mit dem Titel: Den Welthunger beenden. Natürlich hat das nicht den Welthunger beendet, sagt sie heute. Aber es ging ja nur um einen winzigen Schritt, einen Schritt nach dem anderen.

Die Fragen, die Agnes Denes mit ihrem Kunstwerk "The Wheatfield" gestellt hat, sind drängender denn je. Die Frage nach dem Hunger und wie eine wachsende Weltbevölkerung satt werden soll. Die Frage nach dem Landverbrauch. Wo ist eigentlich noch Platz, damit überhaupt etwas wachsen kann, damit die Natur sich regenerieren kann, damit die Balance zwischen Bebauen und Bewahren erhalten bleibt? Ein ganz kleiner Teil der Weltbevölkerung frisst kostbares Land buchstäblich für ihre Zwecke auf, indem sie es in Baugrund, in Anlage- und Renditeobjekte verwandelt.

Wie kann es sein, dass 400 Millionen Menschen abhängig sind von der Weizenernte in der Ukraine? Wie kann es sein, dass es zwar noch irgendwo unbebautes Land gibt - aber gerade nicht da, wo Menschen leben, die Bäume brauchen und Grün und Schutz vor Überhitzung und ihr tägliches Brot?

Das Gleichgewicht des Zusammenlebens aller auf diesem Planeten ist gestört - das spüren nicht nur diejenigen, die sowieso schon zu kämpfen haben mit schwierigen klimatischen Bedingungen.  Das spüren auch wir in unserem vergleichsweise komfortablen mitteleuropäischen Alltag. Auch bei uns gibt es Menschen, die überlegen, welche Lebensmittel sie sich im Herbst, wenn die Energiekosten weiter steigen, noch leisten können. Hungern oder frieren - das wird plötzlich zur Realität - und es ist viel zu einfach, zu denken, dass nur der grässliche Krieg in der Ukraine daran schuld ist.

Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer. Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen soviel sie wollten. Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt. Da sammelten sie und füllten 12 Körbe mit Brocken von den 5 Gerstenbroten, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren.

Ein Geschenkwunder

Wäre es nicht einfach schön, wenn es immer wieder mal so ein Speisungswunder gäbe? Oder noch besser: ein Geschenkwunder! So nämlich nennen die Theologen das, was Johannes hier erzählt. Jesus schenkt denen, die sich um ihn scharen, genug Brot, genug Fisch. Alle werden satt und es bleiben 12 Körbe übrig für den nächsten Tag.

Es ist nicht das erste Geschenkwunder, von dem das Johannesevangelium erzählt. Ein paar Kapitel vorher schenkt Jesus Wein statt Wasser. Wein und Brot und Fisch…. Davon können wir alle leben, damit können wir alle ein Fest feiern.
Es lohnt sich ein bisschen genauer hinzuschauen und hinzuhören auf Jesus, der hier mit vollen Händen schenkt.  Als er die Menge sieht, die sich um ihn drängt, fragt er seinen Jünger Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben? Was scheinbar ganz normal klingt - schließlich kennt jeder die Angst, dass das Essen nicht reicht - ist, so setzt Johannes sofort hinzu, ganz anders gemeint: Das sagte er aber, um ihn zu prüfen, denn er wusste wohl, was er tun wollte.

Ich fühle mich plötzlich selbst wie auf dem Prüfstand. Wie sollen alle Menschen zu essen bekommen? Dabei kenne ich doch die Antworten - sie sind nicht neu: Bildung, Unterstützung der Land-wirte und ihrer Anbaumethoden, Unterstützung der Märkte vor Ort statt teurer Importe, Stärkung des Zusammenhalts der Zivilgesellschaft, Vorsorge für Krisenzeiten…

Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben? Es gibt Antworten darauf. Und man kann sie kennen. Und während Philippus sich beeilt zu antworten, dass nicht mal richtig viel Geld, 200 Silbergroschen, das Jahreseinkommen einer fünfköpfigen Fischerfamilie, genug sei für die Versorgung, weiß Jesus: Es ist genug. Es ist genug, wenn wir anders teilen als wir uns das so angewöhnt haben. Es ist genug, wenn wir teilen im Vertrauen darauf, dass das, was wir haben, für alle reicht.

Und plötzlich kommt mir dieser Kontrast - hier ein riesiger Haufen Geld, den man irgendwie auf-treiben müsste und dort ein kleiner Junge, der einfach nach vorne kommt mit dem, was er in seinem Korb hat - wie ein Symbol vor für das, was wir gerade weltweit erleben.

Die Probleme des Ungleichgewichts der Welt sind nicht zu lösen mit noch mehr Geld, noch mehr Kapital, noch mehr Investitionen. Sie sind - wenn überhaupt noch - zu lösen mit einer Haltungsänderung. Mit einem veränderten Blick auf die Welt und auf das, was jeder und jede einzelne zur Verfügung hat. Jesus schaut anders auf die Welt. Er, der von sich sagt: Ich bin bei Euch als Brot des Lebens, weiß: Es ist genug Brot da - auch wenn ihr denkt, es reicht nicht. Es sind genug Ideen da, wie Menschen satt werden können. Vielleicht ist nicht jede einzelne davon perfekt, vielleicht hilft die eine oder andere nur für eine Übergangszeit und dann muss man wieder weiterdenken - aber grundsätzlich ist das, was da ist, gut genug, auch um drängende Fragen zu beantworten.

Vertrauen in das "gut genug"

Das kenne ich auch: dass ich so oft denke: es müsste viel mehr, viel besser, viel perfekter sein. Ich weiß, unter welchen Druck mich das setzen kann. Gut, dass es da diesen wunderbaren, handgrossen gedrechselten Pilz aus altem Apfelbaumholz gibt. Er steht seit Jahren auf meinem Schreibtisch. Wenn ich ihn anschaue, bleibt mein Blick hängen an dem großen Riss in seinem Schirm. Es ist der schönste unperfekte Holzpilz, den ich kenne - und ich werde niemals die Frau vergessen, die ihn mir vor vielen Jahren geschenkt hat: "Sie müssen auch nicht immer perfekt sein", hat sie mir damals gesagt. 

Perfekt sein müssen… Andere kann das Gefühl, keine guten Eltern zu sein, zur Verzweiflung treiben. Dabei braucht kein Kind einen perfekten Vater oder eine perfekte Mutter, die ihm jeden Wunsch von den Augen abliest und jedes Bedürfnis erfüllt. Im Gegenteil: Kinder brauchen Raum, herauszufinden, was sie selber tun können um zu schaffen, was sie im Leben brauchen.  Nicht gut, nur gut genug dafür müssen Eltern sein. Das reicht. 

Nicht perfekt, nur gut genug. Das ist genug. Wie eine Lehrstunde des Vertrauens ins geschenkte Leben ist das. Und womöglich verändert das auch den Jungen, der plötzlich dasteht mit seinem Brot und seinen Fischen. Womöglich spürt er in diesem kurzen Moment etwas von diesem Vertrauen. Er weiß selber nicht, wie es jetzt weitergeht - aber es geht weiter…Und zwar ziemlich schnell, im Zeitraffer sozu-sagen.  Brot und Fische werden ausgeteilt. Dann sind alle satt - und (es ist) noch ganz viel übrig. Keine Diskussionen, keine Anweisungen. Sich miteinander auf die Wiese setzen, danken - teilen - sattwerden. Ich staune darüber, was dieses Vertrauen in so ein Genug bewirken kann. Für einen Moment hilft es mir gegen die Panik, die ich so gut kenne: die Furcht, dass es immer weniger Geld, Menschen, Ressourcen geben wird, dass wir nie mehr genug haben für alle.

Dann schaue ich auf die, die sich mitten in der Menge trauen aktiv zu werden. Der kleine Junge - und die vielen jungen Menschen, die jetzt nach vorne kommen. Generation Z nennen sie sich. Sie hätten allen Grund, trübe in die Zukunft zu schauen. Aber viele haben sich für einen anderen Weg entschieden. "Das ist auch unser Planet", sagt die 24jährige Franziska Trautmann auf TikTok. "Wir haben keine Zeit zu warten, bis alte Menschen irgendwelche Entscheidungen treffen. Wir machen es selbst." Sie hat eine Fabrik gegründet, in der altes Glas zu Sand recycelt wird und damit können die weggespülten Küstenstreifen in Louisiana, wo sie gerade lebt, stabilisiert werden. Junge Leute können viel. Ich bewundere die Ideen, die sie haben.

Vieles, was sie machen, ist klug, vernünftig, mutig. Manches verstehe ich nicht. Es kommt mir verrückt oder seltsam vor. Wenn sich junge Leute mit ihren Händen auf Autobahnzufahrten festkleben und so aus Protest den Verkehr blockieren, dann ärgern sich viele darüber. Mich erinnern sie damit an die Propheten des Alten Testaments. Auch die haben Menschen verärgert. Manche haben einen Tonkrug geformt und dann zerschmettert; einer ist mit einem Joch um den Hals herumgelaufen, ein anderer hat - ganz ähnlich wie Jesus später - eine große Menge mit ein paar Gerstenbroten satt gemacht. 

Zeichenhandlungen nennt man das. Immer erhält dadurch das, was einer tut, eine große Bedeutung und einen großen Rahmen. Die, die Jesus nachfolgen, bestaunen seine Zeichen und Wunder. Sie lassen sich von ihm beschenken mit Brot und Wein und Fischen. Sie nennen ihn einen Propheten.  Er erinnert sie daran, dass in der Welt Gottes genug Lebensbrot für alle da ist. 
Kürzlich hat einer den Jesuitenpater Jörg Alt einen Propheten genannt. Jörg Alt stiehlt nachts Lebensmittel aus Supermärkten. Es sind Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Sie werden hinter Schloss und Riegel aufbewahrt, damit man sie nach Recht und Gesetz sicher auf den Müll werfen kann. Jörg Alt fordert ein Essen-Retten-Gesetz, wie es das z.B. schon längst in Frankreich gibt. Unverkaufte, aber zum Verzehr noch gut geeignete Lebensmittel sollen gespendet werden.

 Es ist genug für alle da, wenn nur einer sich traut, darauf hinzuweisen, wie absurd es ist, wenn Lebensmittel weggeschmissen werden statt weitergegeben. Es ist genug für alle da, wenn nur einer aufsteht und bereit ist, das, was er hat zu teilen. Es ist genug für alle da, wenn nur einer uns immer wieder daran erinnert, dass wir Vertrauen haben können in das Miteinander Leben und Miteinander Teilen. Es ist genug für alle da, wenn wir uns einlassen auf dieses gemeinsame Leben.

 Und plötzlich höre ich jemanden singen: Wir haben Brot und Fische und einen Krug voller Wein und teilen mit allen, die wir auf unserer Reise treffen…We have bread and Fishes and a jug of red wine….  Das ist ein wunderbarer englischer Folksong aus den 80er Jahren. Er erzählt davon, wie Maria, Joseph und ihr Kind als Pilger durch England ziehen und alle, die sie treffen, zum Essen einladen. Sie breiten einfach ihren Mantel aus und teilen mit denen, die ihnen begegnen: We have bread and fishes, and a jug of red wine, to share on our journey with all of mankind. Maria, Josef, das Jesus Kind, dazu ich und viele andere: für einen Moment stelle ich mir vor, dass mein Sommerpicknick in diesem Jahr so ausschaut…. Wir teilen, was wir haben, mit der ganzen Menschheit... 

Ja - und Amen....

 (1) Petra Pinzler: Taz lab Talk, Privater Klimaschutz 2021 https://www.youtube.com/watch?v=WuoO7BlMzdI

 

Die Evangelische Morgenfeier

"Eine halbe Stunde zum Atemholen, Nachdenken und Besinnen" - der Radiosender Bayern 1 spielt die Evangelische Morgenfeier für seine Hörerinnen und Hörer immer sonntags von 10.05 bis 10.30 Uhr. Dabei haben Pfarrerinnen und Pfarrer aus ganz Bayern das Wort. "Es geht um persönliche Erfahrungen mit dem Glauben, die Dinge des Lebens - um Gott und die Welt."

Sonntagsblatt.de veröffentlicht die Evangelische Morgenfeier im Wortlaut jeden Sonntagvormittag an dieser Stelle.