Pfingsten ist das Fest, an dem der Heilige Geist zu uns kommt. Damals, zu den Jüngern, über denen plötzlich Feuerzungen schwebten – sichtbares Zeichen einer unsichtbaren Kraft. Der Geist Gottes, heißt es, befähigte sie, in fremden Sprachen zu reden und das Evangelium zu verkünden. So beginnt die Geschichte der Kirche. Nachzulesen in der Apostelgeschichte, Kapitel 2.

Manchmal erscheint mir die Geschichte von der Auferstehung eines Toten einleuchtender als diese Szene vom Pfingstwunder. Der Heilige Geist – das ist ein Name für etwas, das sich schwer fassen lässt.

Keine Gestalt, kein Körper, kein Grab. Nur Wind. Oder Feuer. Oder Flamme.

Warten auf etwas, das sich nicht kontrollieren lässt

Die Jünger damals warteten. Wir auch. Sie, weil der Auferstandene es ihnen aufgetragen hatte: Bleibt in Jerusalem, bis ihr mit der Kraft Gottes erfüllt werdet. Wir, weil wir die Geschichte kennen. Weil wir glauben wollen. Weil wir hoffen, dass sich wiederholt, was damals geschah.

Aber es ist nicht leicht, auf etwas zu warten, das weder Hand noch Verstand zu fassen kriegen. Feuerzungen – wie absurd das klingt in einer Welt der Algorithmen und Quartalszahlen.

"Der Geist weht, wo er will", sagt Jesus zu Nikodemus. Auch er, ein kluger und frommer Mann, versteht zunächst nicht, was Jesus meint. Was soll das heißen: geistlich neu geboren werden?

Jesus muss es ihm erklären: Der Geist sei wie der Wind – du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. Spürbar in seiner Wirkung, aber nicht greifbar, nicht kontrollierbar.

Eine schöne Freiheit. Und ein Problem. Denn was, wenn der Wind ausbleibt?

Was, wenn es an Pfingsten einfach still bleibt – in der Kirche, in der Welt, in uns? Manchmal fühlt es sich so an. Wenn Menschen einander nicht mehr zuhören, sondern nur noch auf Antwort warten, um sofort zu widersprechen.

Wenn Verständigung scheitert – in Friedensverhandlungen, in Aufsichtsratssitzungen, am Abendbrottisch. Wenn jedes Gespräch zur Konfrontation wird. Wenn Sprache nicht mehr verbindet, sondern trennt.

Pfingsten heute: Offen sein für unerwartete Wendungen

Vielleicht ist das die eigentliche Frage dieses Festes:

Ob wir noch mit etwas rechnen, das wir nicht kontrollieren können. Mit einer Verständigung trotz grundverschiedener Positionen.

Ob wir offen bleiben für eine Gegenwart, die sich nicht herbeizwingen lässt – wie der Frieden in Nahost, wie das Ende des Krieges in der Ukraine. Ob wir es aushalten, dass wir hoffen müssen, ohne Garantien zu haben – weder für den Frieden noch für das Gespräch, das gelingt.

Ob Pfingsten nur ein Datum ist, irgendwo nach Ostern und vor den großen Sommerferien. Oder ob es mehr ist: ein Moment der Unterbrechung. Eine Erinnerung daran, dass es Kräfte gibt, die sich unserem Zugriff entziehen. Dass etwas kommen könnte – jenseits unseres Wollens, jenseits unserer Kontrolle.

Ob uns Pfingsten erfüllt – mit Klarheit, mit Gewissheit, mit dem leisen Mut, ein verlorenes Gespräch wieder aufzunehmen – das bleibt eine Frage der inneren Haltung. Vielleicht geht es an Pfingsten nicht darum, dass etwas geschieht. Sondern darum, offen zu bleiben, falls etwas geschieht.

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